Lebenselixier
Kopf.
„Warum sollte ich glauben, dass du ausgerechnet jetzt die Wahrheit sagst? Ich
kann fühlen, dass du kalt und grausam bist, genau wie du vorhin gesagt hast.
Und du hast sogar eben zugegeben, dass alles, was du mir erzählst, nur Mittel zum
Zweck ist. Also hab ich ja wohl kaum Grund, dir mehr zu vertrauen, als dem
Lukas, den ich kenne.“
„Ja genau“, amüsierte sich das Wesen. „Weil der Lukas, den du kennst, immer so
ehrlich und aufrichtig ist.“ Er verzog verächtlich die Lippen. „Ein richtiger
kleiner Musterknabe. Auch wenn er dich anlügt, du kannst ihm nicht böse sein.
Schließlich tut er es ja nur zu deinem Besten.“
Ihr Zorn erhitzte
ihre Wangen und Ohren. Es war nicht die oberflächliche, spontane Wut über eine
Beleidigung durch einen Fremden. Es war ein tief sitzendes, an ihrem
Selbstwertgefühl nagendes Gefühl, wie es nur ein Vertrauter auslösen konnte,
von dem man sich verraten fühlte.
So wie sie sich von Lukas und seiner Familie verraten gefühlt hatte, als sie
begriff, dass sie ihr bewusst Informationen vorenthalten hatten. Um sie vor
Tatsachen zu schützen, die unabänderliche Bestandteile ihres Lebens waren.
Tony schüttelte sich, als könnte sie so die negativen Gedanken loswerden.
„Du willst mich gegen ihn aufbringen“, warf sie dem Wesen vor, das sie
aufmerksam beobachtete. Zweifellos konnte es ebenso gut aus ihrem Geruch und
ihrem Herzschlag auf ihre Emotionen schließen wie Lukas.
Das ist Lukas!
„Wenn es so leicht ist“, spottete die Transformation. „Nachdem du jetzt
festgestellt hast, wem du wie weit vertrauen kannst, findest du vielleicht mal
einen Moment, in dem du dir Gedanken machst, was jetzt aus mir werden soll.
Deinem zivilisierten Musterknaben würde es sicher nicht einfallen, dich zu
bedrängen. Aber ich bin nicht zivilisiert. Ich liege hier rum wie ein Paket,
mir tut jeder Muskel und jeder Knochen weh. Und der Schwanz tut mir mehr weh
als alles andere. Wie entscheidest du dich?“
Als Tony nicht sofort antwortete, lachte er wieder. „Warum habe ich es
eigentlich so eilig? Das hier wird ziemlich unbefriedigend für mich. Verschnürt
wie ein Rollbraten von dir bestiegen zu werden, bis ich abspritze. Findest du
es in Ordnung, mich so zu benutzen? Oder zählt es bei hässlichen Monstern
nicht?“
„Oh nein“, wies Tony ihn zurück. Sie setzte sich auf die Bettkante. Das Podest
war breit genug, um sich darauf niederzulassen, ohne dass sie sich ihm zu nah
fühlte. „Komm mir nicht so. Du bist einverstanden. Das hast du selbst gesagt.“
Er schnaubte verächtlich. „Es ist die biologische Funktion dessen, was ich im
Moment bin, dich zu schwängern.“ Seine Stimme wurde von einem tiefen Summen
begleitete, als er das sagte, als würde tief in seiner Brust eine Saite
schwingen. „Du demütigst mich mit der Art, wie es geschehen soll. Ich demütige
mich selbst dabei, weil ich dir eingeredet habe, dass es so funktioniert. Dabei
wird es so in hundert Jahren nichts werden. Ich werde mich noch Hunderte Male
sinnlos in dieser Gestalt quälen, und es wird nutzlos sein.“
Tony wollte
darauf nicht eingehen. Das wollte sie wirklich nicht!
Ein Großteil ihrer Furcht hatte sich verflüchtigt. Wo sie mit einer wilden,
unbezähmbaren Kreatur gerechnet hatte, sah sie sich einem Lebewesen gegenüber,
das zwar alles andere als sympathisch war, sich aber relativ normal mit ihr
unterhielt. Von mangelnder Selbstkontrolle keine Spur.
„Außerdem haben wir beide etwas gemeinsam, Tony. Du und ich triebgesteuertes
Monster. Wir beide wollen, dass du schwanger wirst. Dein zartbesaiteter,
moralischer Blauäugiger will das nicht. Er hat Skrupel, weitere Monster in die
Welt zu setzen. Deshalb hat er dir vieles nicht gesagt. Ist ja nichts Neues für
dich.“
Ihre Entschlossenheit, den Akt durchzuziehen, war halbwegs wieder hergestellt.
Dennoch nagten seine Worte an ihr. Wie konnte sie sicher sein, ob Lukas ihr
jetzt alles erzählt hatte?
„Was meinst du damit, dass es sinnlos ist?“
„Er hat dir immer noch nicht die Wahrheit gesagt. Das wird er niemals tun. Er
ist so vollgestopft mit sterblicher Moral, dass er es selbst nicht wahr haben
will.“
Tony wusste, sie
lief Gefahr, dieser Kreatur auf den Leim zu gehen. Andererseits, entsprach das,
was er ihr sagte, nicht genau ihren Erfahrungen mit Lukas?
„Sicher hast du
recht“, fuhr die Kreatur fort. „Ich bin nicht vertrauenswürdig, wenn ich
selbstsüchtig bin. Es ist doch viel tröstlicher, sich hinter Halbwahrheiten
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