Lebenselixier
von sich
aus zu ihm. Er behauptete, unsterblich zu sein. Für sehr viel Geld wollte er
dem Professor erlauben, ihm Blut abzunehmen.“
Thomas wusste nicht, ob er seinen Ohren trauen sollte. Wenn dieser
hirnverbrannte Bengel nicht schon tot wäre, müssten die Jäger ihn hinrichten!
„Der Professor dachte zuerst, dieser Morris wollte ihn berauben, oder seine
Forschungsergebnisse an sich bringen. Nur mit viel Glück und mit Hilfe mehrerer
Laboranten und Sicherheitsleute konnten sie ihn überwältigen. Bei der
anschließenden Untersuchung stellte sich heraus, dass er kein junger Mann,
sondern ein Monster war. Sie entdeckten, dass Cross Medikament nicht nur den
Menschen Widerstandskraft gegen die Monster verleiht, sondern auch die
teuflischen Kräfte dieser Kreaturen schwächt.
Ich weiß nicht, warum Professor Walser das Medikament an sich selbst
ausprobiert hat. Aber so sind wahre Wissenschaftler wohl einfach.“
Aber klar
doch. Walser hat dieses Aufputschzeug aus reinem Altruismus eingeworfen. Gar
keine Frage. Thomas beäugte die Apparatur, aus der mit stetiger Geschwindigkeit eine
wasserhelle Flüssigkeit in seine Vene tropfte.
„Und ich bekomme das Zeug über die Infusion?“
„Nein, nein. Das genügt auf Dauer nicht. Dieser Finn wäre beinahe entwischt,
weil es ihm gelang, Charles trotz des Medikaments zu beeinflussen. Dabei bekam
er das Mittel bereits über eine Punktion im Nacken, direkt in den Liquor.“
Thomas schluckte, als ihm aufging, dass in seiner Wirbelsäule eine Kanüle
steckte, die ihm eine Droge unmittelbar in die Hirnflüssigkeit injizierte.
33
Tonys Blick
wanderte zur Uhr, die über dem Küchentresen hing. Halb vier. Der Nachmittag
schleppte sich dahin.
Kurz nach Mittag hatte Lukas das Haus durch das Tunnelsystem verlassen, um an
einer Videokonferenz seines Vaters mit Arne und Jeremias teilzunehmen.
Natürlich ging es um die getöteten Bluttrinker. Die englischen Jäger hatten
eine Spur aufgenommen, die sich zu Aktivitäten des ersten Opfers
zurückverfolgen ließ. Tony rechnete damit, dass Arne ihren Gefährten in der
kommenden Nacht zurück nach Amsterdam beordern würde. Eine Aussicht, die sie unerwartet
gelassen hinnahm.
Zeit mit Nora zu
verbringen gehörte zu den Dingen, auf die sie sich in Klarenberg am meisten
gefreut hatte. Dennoch hatte sie es heute abgelehnt, Lukas zu seinen Eltern zu
begleiten. Stattdessen hockte sie vor dem Fernseher und zappte durch die
Kanäle, ohne zu erkennen was lief.
Genervt warf Tony
die Fernbedienung auf den Glastisch. Sie stand auf und ging zur Fensterfront
hinüber, drückte auf ein paar Knöpfe. Rote Warnlämpchen blinkten und mussten
ausgeschaltet werden, bevor die schwarzen Flächen vor den Fenstern sich fast
geräuschlos hoben und den Blick auf die sonnenüberflutete Dachterrasse
freigaben. Die aufgleitende Schiebetür ließ schwüle Hitze herein, die Tony jede
Lust nahm, sich unter dem sanft flatterenden Sonnensegel niederzulassen.
Stattdessen könnte sie jetzt in Noras Garten sitzen und im Schatten der großen,
alten Bäume selbst gemachte Limonade schlürfen. Dort draußen war es bestimmt
wesentlich angenehmer, als mitten in der Stadt.
Tonys Augen wanderten zum Telefon.
Nein, sie würde Lukas Mutter nicht anrufen! Sie konnte jetzt nicht mit Nora
reden. Nicht bevor sie selbst begriff, was in ihr vorging.
Lukas Mutter behauptete, sie könne nicht wirklich Gedanken lesen, doch Tony
hatte ihre Zweifel. Zumindest besaß die ältere Gefährtin ein beängstigendes
Talent Menschen zu durchschauen. In Noras Nähe kam sie sich wie ein offenes
Buch vor.
Der Fernseher
plapperte weiter, während Tony ins Schlafzimmer wanderte. Sie konnte nicht
länger stillsitzen. Auch hier öffnete sie die Rollos. Sie mochte emotional
nicht mehr so stark auf Sonnenlicht angewiesen sein wie früher. Aber vielleicht
schaffte die Helligkeit es trotzdem, die Spinnweben aus ihrem Kopf zu
vertreiben.
Sie beschäftigte
sich, indem sie die Dinge, die sie nach Amsterdam mitnehmen mussten, auf dem
Bett zurechtlegte. Später wäre es nur noch eine Sache von Minuten, ihre
Reisetaschen zu packen. Im Badezimmer warf sie Zahnpasta, Lipgloss und
Hautcreme in ihren Kulturbeutel. Zufällig blickte sie in den breiten, beleuchteten
Spiegel über dem Waschtisch - und in ihr eigenes Gesicht.
Ihre Haut schien bleicher als sonst, ihre Augen größer, unnatürlich glänzend.
Sie ertappte sich dabei, wie sie vor dem Blick ihres eigenen Spiegelbildes
zurückwich. Hatte sie vor ein paar
Weitere Kostenlose Bücher