Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)
die selbst Margot Käßmann noch eine wilde Partysau war, konnte über diese abgestandene Comedy noch lachen. Plötzlich drehte sich zwei Sitze vor uns Kemal Agatürk um. Seine zusammengewachsene Monoaugenbraue wackelte wie eine breakdancende Raupe, das konnte kaum etwas Gutes heißen.
»Ey, wollta ma watt Geiles sehen«, fragte er. Sehr wahrscheinlich drückte er gleich eine Furzsalve durch den Spalt zwischen den Bussitzen.
Patrick schaute von seinem Gitarrenmagazin auf, seine zusammengekniffenen Augen weiteten sich, er lächelte erwartungsvoll.
»Guckt ma, watt ich hier hab, die Pamela Anderson«, sagte Kemal und schwenkte eine schwarze Kassette vor unseren Augen, auf die er mit weißem Edding »Geilomat-Tape« gekritzelt hatte.
»Echt?«, fragte Patrick plötzlich sehr interessiert, das Gitarrenmagazin hatte seine magische Anziehungskraft verloren.
»Jo, hab ich von meinem Bruder gezockt … dreißig Minuten echte Gefühle, hatta gesagt«, fachsimpelte Kemal, der sich immer für unsere Unterhaltung verantwortlich fühlte.
»Und … wie ist es?«, wollte nun auch ich wissen. Die Sage vom legendären Sex-Tape, auf dem Pamela Anderson und Tommy Lee Matratzensport betreiben, hatte sich in der zehnten Jahrgangsstufe voller Fünfzehnjähriger schneller verbreitet als Lippenherpes. Die Kassette hatte für uns somit einen höheren Schwarzmarktwert als waffenfähiges Uran.
»Hab’s noch nicht gesehen, er hat ja den Rekorder …«, sagte Kemal kleinlaut, und eine seltsame Schwere legte sich über sein Gesicht. Wahrscheinlich musste er damit rechnen, bei seiner Heimkehr erst mal drei Tage am Stück verkloppt zu werden.
»Leg’s doch ein«, schlug Patrick vor.
Mein Kopf drehte sich wie in Zeitlupe zu ihm.
»Wo, bei Mr Bean?«, fragte Kemal ungläubig und schaute auf den flimmernden Bildschirm, auf dem das Frettchengesicht gerade einen Fisch aus seinem Anzug kramte und ihn in eine Bratpfanne in der Auslage eines Supermarkts legte.
»Schieeesch, kann ich nicht machen«, knurrte Kemal.
Patrick riss ihm die Videokassette aus der Hand und ging wortlos an den anderen Sitzreihen vorbei. Wir sahen ihm nach wie einem Bombenentschärfungskommando.
»Manfred, du, können wir mal die Kassette wechseln, Mr Bean dreht sich schon im Kreis«, fragte Patrick freundlich. Unser Busfahrer grunzte nur ein »Sicha« und starrte weiter auf die Straße.
Dann kam mein bester (und einziger) Freund zurück und ließ sich lächelnd auf seinen Sitz fallen. Kemal stand der Mund offen, in dem eine Reihe bemerkenswert ungerader Zähne zu bewundern war.
Während wir also von der freiwilligen Selbstkontrolle Gebrauch machten und in freudiger Erwartung unseres ersten Pornos auf die schwarze Mattscheibe starrten, als würde gleich Jesus persönlich eine Ansprache halten, war das Aufsichtspersonal in Form unserer Lehrkörper anderweitig beschäftigt. Herr Jünschke sägte einen kompletten holländischen Mischwald nieder, Frau Möbus leckte sich immer noch durch ihren Shakespeare, und zum Glück gab es so weit vorn im Bus ohnehin keinen Bildschirm, denn den Anblick hätten die beiden nicht verkraftet.
Da war sie, wahrhaftig, Pamela Anderson grinste uns mit schwarzen Pupillen durch die Nachtsicht einer wackligen Handkamera entgegen und wand ihren schlangenhaften Körper hin und her. Sie erzählte irgendetwas, der Ton war aber seit Mr Bean glücklicherweise heruntergedreht, damit Herr Jünschkes Schönheitsschlaf nicht vom wortlosen Glucksen der englischen Spaßikone gestört wurde.
»Geilomat«, seufzte Kemal und versank in seinem Sitz, er war wohl der Einzige, der nicht befürchtet hatte, dass uns jetzt doch noch eine alte Folge »Dalli Dalli« oder »Schwarzwaldklinik« entgegenflimmerte, auf so einer Kassette konnte ja alles sein.
Doch was folgte, konnte selbst Kemals Hochgefühl nicht halten. Die anorektische Nixe quatschte erst mal irgendeinen unverständlichen Müll in die Linse, schmiegte das Kinn an ihre Schulter und versuchte, unschuldig auszusehen, was in seiner Künstlichkeit kaum zu überbieten war.
»Laber, Rhabarber«, resümierte Kemal und winkte ab. Der Flitterwochensex der Bademeisterin und des Trommlers hatte bisher einen größeren Gesprächsanteil als eine spanische Telenovela.
Dann ging endlich der Teil los, der von uns männlichen Pubertisten so sehnlich erwartet wurde. Doch das, was wir da bestaunen durften, hatte ungefähr den Reizwert einer Endlosfolge Eisenbahnromantik oder einer Dokumentation über
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