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Lebenslang

Lebenslang

Titel: Lebenslang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schwindt
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Blechkiste mit Würfelzucker. »Setzen Sie sich doch.«
    Yvonne nahm Platz und legte ihre Handtasche auf den Tisch.
    »Ich weiß noch immer nicht, wie Sie heißen.« Thomas gab etwas Milch in seinen Kaffee, nahm aber keinen Zucker.
    »Entschuldigung, mein Name ist Yvonne.«
    Thomas blies über die heiße Tasse. »Nur Yvonne?«
    »Ja. Nur Yvonne.«
    Er schob ihr den Teller mit den Keksen herüber. Es waren mit Hagelzucker bestreute dänische Kaffeekränze, wie man sie in jedem Discounter kaufen konnte. »Wie ich sehe, haben Sie sich dazu entschlossen, lieber eine Mütze aufzusetzen.«
    Yvonne nahm die Kappe ab und legte sie neben der Handtasche auf den Tisch. »Stimmt, das macht manches einfacher.« Nachdenklich drehte sie die Tasse in ihrer Hand. »Sie fragen mich ja gar nicht, warum ich hier bin.«
    »Ich denke, Sie werden es mir schon früh genug sagen. Vielleicht sind Sie ja auch nur gekommen, um mit mir ein Schwätzchen zu halten. Aber wenn ich ehrlich bin, schätze ich Sie nicht so ein.«
    Yvonne runzelte die Stirn, als hätte sie den Sinn der Bemerkung nicht so recht verstanden.
    »Ich wollte damit sagen, dass Sie bestimmt nicht meinetwegen hier sind. Habe ich recht?«
    Yvonne öffnete ihre Handtasche, um die Zeichnung hervorzuholen, über der sie die halbe Nacht gesessen hatte. Sie faltete das Blatt Papier auf und schob es ihrem Gegenüber zu.
    »Mir ist Ihre Bemerkung nicht mehr aus dem Kopf gegangen«, sagte sie. »Vermutlich ist es wirklich so, dass dieser Mann keine Krankenversicherung hatte und deswegen falsche Angaben bei der Notfallambulanz gemacht hat.«
    Thomas nahm das Blatt in die Hand und betrachtete die Gesichtszüge genauer.
    »Haben Sie diesen Mann schon einmal gesehen?«, fragte Yvonne.
    »Sie haben recht. Er hat wirklich ein Allerweltsgesicht. Nur die Augen sind ein wenig ungewöhnlich, nicht wahr?«
    »Kennen Sie ihn?«, wiederholte Yvonne ihre Frage.
    »Nein.«
    »Schade«, sagte Yvonne und wollte nach dem Blatt greifen, doch Thomas gab es ihr nicht.
    »Nur weil er mir noch nicht über den Weg gelaufen ist, heißt es nicht, dass er nicht existiert«, sagte er. »Darf ich fragen, warum Sie sich so sehr für ihn interessieren?«
    Yvonne schwieg. Sollte sie sich diesem Fremden anvertrauen? Ihr Kaffee wurde kalt. Schließlich überwand sie sich und sagte: »Er verursacht mir Albträume.«
    »Albträume? Welcher Art?«
    Yvonne spürte, wie eine Welle Adrenalin sich in ihrem Körper ausbreitete. »Ich sehe ihn immer zusammen mit einem toten, grässlich zugerichteten Mädchen.«
    »Von welchem Mädchen sprechen Sie?«
    »Von dem toten Mädchen am See«, sagte Yvonne in einem Tonfall, als läge die Antwort auf der Hand.
    »Haben Sie die Leiche gesehen?«, fragte Thomas.
    Yvonne erstarrte. »Okay«, sagte sie und streckte die Hand aus. »Geben Sie mir das Blatt wieder zurück. Vielleicht war es ein Fehler hierherzukommen.«
    Thomas faltete es wieder zusammen, behielt es aber in seiner Hand. »Warum haben Sie sich die Haare abrasiert?«
    »Ich habe nicht den Verstand verloren«, sagte Yvonne im ruhigsten Tonfall, den sie noch zustande bringen konnte. »Ich bin nicht wie diese Typen, die jeden Tag hier bei Ihnen aufkreuzen.«
    »Wie sind denn diese Typen?«, fragte Thomas, immer noch die Gelassenheit in Person, was Yvonne nur noch wütender machte.
    »Leute, die sich um den Verstand gesoffen haben. Junkies. Was weiß ich. Geben Sie mir das Blatt zurück.«
    »Ich war auch einmal einer von ihnen. Es gehört nicht viel dazu, um ganz schnell ganz unten anzukommen. Glauben Sie mir das.« Er sah Yvonne an, als könnte das auch ihr, gerade ihr, passieren.
    Sie atmete schwer, dann entspannten sich die Hände, die sie zu Fäusten geballt hatte. »Ich bin nicht verrückt. Ich bin nicht drogenabhängig. Ich bin keine Alkoholikerin«, sagte sie.
    »Aber Sie machen gerade eine ziemlich schwierige Zeit durch.«
    »Um das zu sehen, muss man kein besonders guter Beobachter sein, glaube ich.«
    »Nein, das muss man in der Tat nicht.« Thomas nahm sich einen Keks.
    »Ich werde sterben«, sagte Yvonne.
    »Sie haben Krebs?«, fragte Thomas. Es klang nicht mitleidig, allenfalls interessiert. So, wie er reagierte, schien er öfter Gespräche dieser Art zu führen. Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht war er auch einfach nur abgebrüht.
    »Wegen meiner Haare? Nein, ich habe eine Kugel im Kopf, und die bringt mich langsam, aber sicher um.«
    »Entschuldigen Sie die Frage, aber wie fängt man sich denn so etwas

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