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Lebenslang

Lebenslang

Titel: Lebenslang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schwindt
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ein?«
    »Berufsrisiko. Ich war Polizistin.«
    Thomas hob nur kurz die Augenbrauen. »Haben Sie jemanden, mit dem Sie darüber reden können?«
    »Ich finde, das geht Sie gar nichts an.«
    Er trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte, trank dann einen Schluck aus seiner Tasse und stand auf. »Ich bin gleich wieder da«, sagte er und verschwand.
    Yvonne hörte, wie die Bürotür aufgeschlossen und ein Kopierer in Betrieb genommen wurde. Kurz darauf kehrte er zurück, gab ihr das Original und legte einen Stapel mit Kopien auf die Küchentheke. »Ich werde mich einmal umhören.«
    Yvonne stand auf. »Danke.«
    »Wie kann ich Sie erreichen, wenn ich etwas erfahren habe?«
    Sie nahm einen Kugelschreiber aus ihrer Handtasche und schrieb ihre Handynummer zusammen mit ihrem Namen auf eine Serviette, die neben dem Salzstreuer auf dem Tisch lag.
    »Danke«, sagte sie noch einmal, stand auf und ging.

M ein Vater hatte heute Nacht einen Herzinfarkt. Meine Mutter rief mich aus dem Hotel an, kurz nachdem der Notarzt da war und ihn nach Hanau ins Krankenhaus gebracht hatte. Schon all die Tage, seit er die Nachricht von Julias Verschwinden erhalten hatte, ging es ihm schlecht. Mutter ist vollkommen durcheinander.
    Immer wieder räumt sie den kleinen Koffer ein und aus, überlegt, was sie vergessen haben könnte, und beginnt wieder von vorne. Schließlich nehme ich ihr die Sachen aus der Hand, lege alles fein säuberlich zusammen und hole den Kulturbeutel aus dem Bad. Es riecht nach Rasierschaum, Tabak Original und Haarwasser, und schlagartig bin ich wieder zu Hause bei meinen Eltern, bin wieder das Kind, der kleine Junge, der ohne Geschwister aufwuchs und deswegen die Liebe seiner Eltern nie mit jemand anderem teilen musste. Ich hatte eine glückliche Kindheit.
    Uns machten sie immer zum Vorwurf, dass wir das Kind zu sehr verwöhnten. Sie selbst aber ließen keine Gelegenheit aus, um ihre Julia auf Händen zu tragen. Ich bin mir sicher, dass meine Tochter meinem Vater das Leben gerettet hat, als man ihm die drei Bypässe an den Herzmuskel nähte. Er wollte sehen, wie sie aufwuchs, vielleicht die Fehler korrigieren, die er damals bei mir gemacht hat, obwohl ich mich an keine erinnern kann.
    Jetzt ist Julia tot, und es sieht so aus, als könnte mein Vater auch noch sterben. So, als würde der Tod ihm den Aufschub, den ihm meine Tochter geschenkt hatte, nicht mehr gönnen.
    Mutter sitzt auf der Bettkante und weint, wie sie es schon seit Tagen tut. Sie trägt noch immer die helle Stretchhose und die blaue Bluse und die Gesundheitsschuhe mit den Klettverschlüssen. Ihre Haare müssten dringend gewaschen werden. Ich werfe den Kulturbeutel zur Unterwäsche und dem Schlafanzug und schließe den kleinen Koffer, dann rufe ich ein Taxi.
    »Warum fährst du nicht mit deinem Wagen?«, sagt sie zwischen zwei Schluchzern. »Das Taxi ist doch so teuer.«
    Was soll ich darauf sagen? Dass ich mich im Moment außerstande sehe, mich hinter ein Steuer zu setzen, ohne dabei dem schier unwiderstehlichen Drang nachzugeben, auf der Autobahn mit Tempo zweihundert gegen einen Betonpfeiler zu fahren? Dass ich mich noch nicht einmal nachts um drei auf den Verkehr konzentrieren kann? Dass im Auto noch die Tasche mit ihrem Schlafanzug und der Zahnbürste ist, da sie in der Nacht vor ihrem Verschwinden bei ihrer besten Freundin Sandra übernachtet hat?
    Also gebe ich ihr keine Antwort, nehme den Koffer und halte ihr die Tür auf. Sie steht auf, als würde sie ihre letzte Reise antreten, was natürlich Unsinn ist. Wenn einer heute Nacht vielleicht seine letzte Reise antritt, dann ist es mein Vater.
    Wir stehen an einer dunklen Straßenecke und warten auf das Taxi, als wären Mutter und ich die einzigen Menschen auf dieser Welt. Es beginnt zu regnen. Wir haben keinen Schirm dabei. Plötzlich tut meine Mutter etwas, was sie noch nie getan hat. Sie ergreift meine Hand und drückt sie ganz fest, so als hätte sie Angst, ich könne sie loslassen. Zehn Minuten später ist das Taxi da.
    Wir steigen ein, und ich nenne dem Fahrer das Ziel. Leise Radiomusik ist zu hören. Der Scheibenwischer rubbelt über die Windschutzscheibe. Der Asphalt glänzt im Schein der Straßenlampen. Mutter hält noch immer meine Hand fest umklammert.
    Der Fahrer stoppt an der Pforte des Klinikums. Ich bezahle und helfe meiner Mutter aus dem Wagen, gebe ihr meine Jacke, die sie sich über den Kopf hält, während wir uns auf den Weg zum Haupteingang machen.
    An der Rezeption weist man uns den

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