Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lebenslauf zweiter Absatz

Lebenslauf zweiter Absatz

Titel: Lebenslauf zweiter Absatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
Vom Netzwerk:
Leitung los. Dann hörte ich jemanden rufen. Ich war ziemlich schnell unten.
    Ich brachte wieder nichts anderes heraus als die Frage, ob es ihr nicht zu kalt sei. Dabei hörte ich, wie in meinem Kopf einer sagte, ich müsse ihr nun ganz was Feines sagen. Na, wie denn?
    Der Druck im Magen war jetzt noch stärker – der Lehrer hatte meinen Namen aufgerufen, und gleich würde er meine Zensuren sagen.
    »Frau Soebenbrodt läßt fragen, ob Sie vielleicht mal nach der Herdlampe sehen könnten, die flackert so.«
    Bums! Ich hatte schon gedacht, sie wollte mich besuchen. Der Lehrer hatte mir eine Vier gegeben.
    »Ist gut«, sagte ich, »ich pack den Trödel hier gleich ein, wollte sowieso aufhören.« Dabei knallte ich das Werkzeug zusammen, daß es ein Jammer war.
    Sie bückte sich und legte einen Apfel auf die Tasche. »Mögen Sie?« sagte sie und rückte das Tuch, das sie diesmal umgebunden hatte, zurecht.
    Oh! Jetzt würde ich ihr sagen, daß ich …
    »Geklaut?« fragte ich und biß in den Apfel. Sie sagte nichts.
    Dann zeigte sie auf die Zange und sagte: »Lassen Sie die hier nicht liegen, dann ist sie weg.«
    »Ach wo«, sagte ich, »die brauch ich ja noch.«
    Als ich das Scheunentor schloß, streifte ich sie mit dem Ellenbogen. Ich hatte es nicht mit Absicht getan, aber ich nahm mir vor, es noch mal zu tun. Das war schön gewesen.
    Wir gingen zusammen über den fast dunklen Hof. Keiner sagte etwas.
    Ich atmete auf, als ich sah, daß nur die Mamsell in der Küche war.
    »Nee«, sagte die, »dies Lampengeflunker macht einen ja ganz brägenklüterig. Gucken Sie doch mal rein, da ist wohl was verstopft?«
    »Kein Problem«, sagte ich und holte mir die eiserne Fußroste, die vor der Tür lag. Ich legte sie auf den heißen Herd und stellte mich dann darauf.
    »Geh dem Herrn Elektrizitäter mal zur Hand, Anna«, sagte die Mamsell.
    »Ja«, sagte ich, »geben Sie mir mal den Schraubenzieher, nee, das ist ein Schraubenschlüssel, ja, den da. Brennen Sie sich nicht!«
    Die Mamsell fragte, ob ich nicht die Sicherung rausnehmen wolle, sie habe mal einen Schlag gekriegt, und das sei ja wohl zu gruselig gewesen. Ich wollte ihr was von jahrelangem Training und Abgehärtetsein erzählen, aber Anna war schon hinausgelaufen, und wenig später ging das Licht aus.
    Als sie wiederkam, drückte ihr die Mamsell eine Kerzein die Hand und sagte, sie solle mir leuchten, aber nichts auf den Herd tropfen, das stinke so abscheußlich.
    Jetzt standen wir nebeneinander auf der Roste, und ich kam mit den Schrauben nicht zurecht, weil ich immer auf das Kerzenlicht in Annas großen Augen sehen mußte. Ich nahm ihre Hand mit der Kerze und sagte:
    »Halt mal so, dann geht’s besser.«
    Ich konnte nicht sehen, ob uns die Mamsell aus der Dunkelheit zusah, und darum ließ ich Annas Hand nach einer Weile wieder los. An ihrem dünnen Gelenk hatte es geradeso wie an ihrem Hals geklopft.
    Irgendwas war an meiner Atmung nicht in Ordnung, und ich sagte laut: »Ganz hübsch verschimmelt da drinnen, Frau Soebenbrodt, Sie kochen zuviel Suppe.« Und zu Anna, in deren Hand die Kerze ganz leise zitterte, sagte ich: »Das nennt man Korrosion. Die Kontakte werden wie ein fauler Apfel aufgefressen.« Dann wieder zu Frau Soebenbrodt: »Ich werd wohl eine neue Lampe mitbringen müssen, die hier ist bald fertig. Ich werd mit dem Meister reden. Für heut und morgen krieg ich’s noch mal hin.« Die Mamsell sagte, ich sei ein guter Mensch.
    Anna nahm ganz vorsichtig die Kerze in die andere Hand und streifte langsam das Kopftuch ab. Es war warm auf dem Herd.
    Ich kratzte an den angefressenen Drähten herum, und es ließ sich gar nicht vermeiden, daß ich immer wieder mit der Wange an Annas sandfarbenes Haar streifte. Mir war, als knistere es leise.
    Ich konnte mich beim besten Willen nicht länger mit der Sache aufhalten, und wenn ich meinen Fingern auch zu befehlen suchte, sie sollten langsamer arbeiten, sie wußten sehr gut, wie man einen so lächerlichen Schadenbehob, und ehe ich mich versah, waren sie mit der Arbeit fertig.
    Ich sprang vom Küchenherd, nahm Anna das Licht aus der Hand und gab es der Mamsell und sagte zu Anna: »Komm!« Sie war ganz leicht.
    »Bitte«, sagte ich zu ihr, »schrauben Sie die Sicherung wieder rein, und danke schön für die Hilfe.«
    Die Mamsell hatte schon ein Päckchen mit Eiern vorbereitet, und ich verabschiedete mich mit Dank von ihr. Ich sagte, ich möchte den Mädchen auf Wiedersehen sagen, und sah mich suchend um, aber Frau

Weitere Kostenlose Bücher