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Lebenslügen / Roman

Lebenslügen / Roman

Titel: Lebenslügen / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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Teufel. Er würde es vermutlich bald herausfinden. Er mühte sich, die rätselhafte schlendernde Frau aus seinen Gedanken zu verscheuchen und statt ihrer Marlees Gesicht zu sehen (Vermisse Dich! Liebe Dich!) Er wollte, dass ihr Gesicht das Letzte wäre, was er sah, bevor er in den schwarzen Tunnel ging.

Der diskrete Charme der Bourgeoisie
    S ie hätte die Blumen besorgen, sie hätte zu Waitrose fahren sollen, stattdessen saß sie im Auto vor Alison Needlers Haus in Livingston. Die Vorhänge waren zugezogen, das Licht vor dem Haus ausgeschaltet. Kein Anzeichen von Leben im Inneren wie draußen, alles wieder ruhig. Als sie Alisons hysterische Stimme am Telefon hörte, befürchtete Louise das Schlimmste – er war zurück. Aber er war es nicht, es war falscher Alarm, nicht David Needler war zurückgekommen, um seiner Familie den Garaus zu machen, sondern ein unschuldiger Dritter mit Baseballmütze führte seinen Hund aus. Nicht ganz so unschuldig, da der fragliche Hund laut einem der Uniformierten aus Livingston, die anrückten, als Alison Needler auf ihren Panikknopf drückte, ein Japanischer Tosa war.
    Der unschuldige Dritte wurde verhaftet und zum Revier gebracht, wo er angezeigt wurde wegen Verstoßes gegen das Kampfhundegesetz, und der Hund wurde von einem vorsichtigen Tierarzt weggeschafft. Der Streifenwagen war bereits da, als Louise eintraf, und sie veranstalteten einen ziemlichen Zirkus vor Alison Needlers angeblich sicherem Haus. Warum nicht gleich auf dem Dach ein großes, blinkendes Neonschild anbringen, auf dem stand: »Wenn du Alison Needler suchst, David, hier ist sie.«
    Es war nicht der erste falsche Alarm, Alisons Nerven waren vierundzwanzig Stunden am Tag gespannt wie Klaviersaiten. Ihr Leben war eine Katastrophe. Louise würde Alison Needler gern mit Joanna Hunter bekannt machen. Alison würde sehen, dass es möglich war, mit Anstand zu überleben, dass es ein Leben nach dem Tod geben konnte. Aber der große Unterschied war natürlich, dass Andrew Decker gefasst worden war, wohingegen David Needler – tot oder lebendig – immer noch frei herumlief. Wenn sie ihn fänden, wenn sie ihn lebenslang wegsperrten, dann könnte Alison Needler vielleicht wieder anfangen zu leben. (Aber was bedeutete »lebenslang«? In Andrew Deckers Fall dreißig Jahre, es war noch genug Leben für ihn übrig.)
    Ich muss Ihnen mitteilen, dass Andrew Decker aus dem Gefängnis entlassen wurde. Louise hatte nie zuvor gesehen, wie jemand so schnell so blass wurde und dennoch aufrecht sitzen blieb, aber das musste man Joanna Hunter lassen, sie riss sich zusammen. Natürlich musste sie gewusst haben, dass seine Entlassung bevorstand, dass er schon Freigang hatte, sich auf seine neue Freiheit vorbereitete, denn nach dreißig Jahren im Bau wäre die Welt ein Schock für ihn.
    »Er wohnt bei seiner Mutter in Doncaster.«
    »Sie muss alt sein, er ist ihr einziges Kind, nicht wahr?«, sagte Joanna Hunter. »Wie traurig für sie.«
    »Er ist Gefangener der Kategorie A«, sagte Louise. » MAPPA wird seine Freilassung überwachen. Ihn im Auge behalten, überprüfen, ob er da ist, wo er behauptet zu sein.«
    » MAPPA ?«
    »Multi Agency Public Protection Arrangements. Ein bisschen umständlich, ich weiß.«
    »Sie brauchen sich dafür nicht zu entschuldigen, auch wir Mediziner lieben unsere Abkürzungen. Ich bin erstaunt, dass Sie mich davon unterrichten«, sagte Joanna Hunter. »Ich hätte gedacht, nach diesen vielen Jahren …«
    »Das ist leider noch nicht alles«, sagte Louise Monroe, die wie ein dunkler Verkündigungsengel stets die Überbringerin schlechter Nachrichten war. »Die Presse hat von seiner Freilassung erfahren und wird sich die Geschichte vermutlich nicht entgehen lassen.«
    »›Bestialischer Schlächter kommt frei‹ – in der Art?«
    »Leider genau in der Art«, sagte Louise. »Und sie werden natürlich nicht nur hinter Decker her sein, sie werden wissen wollen, was aus Ihnen geworden ist.«
    »Die Überlebende«, sagte Joanna Hunter. »›Kleines Mädchen verschwunden‹. So hieß es in den Abendausgaben. Morgens hieß es dann: ›Kleines Mädchen gefunden‹.«
    »Haben Sie die Sachen aufgehoben, die Zeitungsausschnitte, Artikel?«
    Joanna Hunter lachte trocken. »Ich war sechs Jahre alt. Ich konnte nichts aufheben.«
     
    Eigentlich wäre es die Aufgabe des Familienbeauftragten gewesen, aber der Anruf wurde zufällig zu ihr durchgestellt, und ihr fiel auf, dass Joanna Hunter gleich um die Ecke von ihr wohnte,

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