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Lebenssonden: Roman (German Edition)

Lebenssonden: Roman (German Edition)

Titel: Lebenssonden: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael McCollum
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spielte Colin Williams seine Trumpfkarte aus.
    »Wohlgemerkt, es ist nur eine Idee, aber wenn ich ein Pathfinder -Nachkomme wäre, würde ich das Wrack der Sonde sehen wollen. Das alte Lowell-Orbitalteleskop ist noch in Gebrauch, glaube ich. Es ist groß genug, um ein brauchbares Bild zu erzeugen, wenn es in diese Richtung geschwenkt wird. Wer weiß, vielleicht haben wir Glück und entdecken, dass das Wrack Besucher hat.«
    Vischenko nickte. »Fügen Sie das zu Ihrer Liste hinzu, Kiral. Irgendwelche anderen Vorschläge?«
    Jutta Schumann gähnte, streckte sich und sagte: »Ich beantrage, dass wir die Sitzung wegen der vorgerückten nächtlichen Stunde schließen, Herr Vorsitzender.«
    »Zustimmung!«, murmelte Papandreas. Vor lauter Müdigkeit verschluckte er das Wort zur Hälfte.
    »Noch nicht!«, rief Colin Williams. Er wartete, bis die anderen ihre verquollenen Augen auf ihn richteten, und fuhr dann ruhiger fort. »Ich habe noch einen Punkt, bevor wir uns vertagen. Ich erwarte keinen sofortigen Beschluss zu diesem Thema, aber es ist etwas, das zumindest erörtert werden muss.«
    »Es ist spät, Colin«, sagte Vischenko.
    »Ich werde mich möglichst kurz fassen. Aber ich muss jetzt sprechen, bevor die Dynamik der Ereignisse uns das Heft des Handelns aus der Hand nimmt.«
    »Fahren Sie fort.«
    Williams schaute in die Runde. »Kollegen, ich habe den Eindruck, dass wir eine Übereinstimmung bezüglich der Natur unseres Eindringlings hier erreichen. Niemand hat ernsthaft behauptet, dass wir es hier mit etwas anderem zu tun hätten als mit unserer heimkehrenden Expedition. Und ich habe viele von Ihnen sagen hören, dass der Fund dieses Sternenschiffs vor unserer Haustür ein Gottesgeschenk sei.«
    Javral Pere nickte. »Die Reise zu den Sternen ist seit einem halben Jahrtausend ein Traum der Menschheit gewesen.«
    »Genau aus diesem Grund sollten wir vorsichtig sein!«, rief Williams. »Seit fünfhundert Jahren haben wir uns von den Schriftstellern eskapistischer Fiktionen das Denken abnehmen lassen. Sollten wir da nicht innehalten, um ihre grundlegenden Annahmen einer Revision zu unterziehen – oder noch besser, uns selbst Gedanken machen -, bevor wir die Menschheit den Unwägbarkeiten des interstellaren Raums überantworten?«
    Williams legte eine Pause ein. Zufrieden stellte er fest, dass die Müdigkeit in den Gesichtern verflogen war. Dann setzte er den Vortrag fort, nur dass er nun in den gemessenen Rhythmus fiel, der für gewöhnlich dem Hörsaal vorbehalten war. »Wenn ich Homo sapiens in einem Wort beschreiben sollte, würde ich mich wohl für ›eingebildet‹ entscheiden. Dagegen ist vermutlich kein Kraut gewachsen. Schließlich sind wir schon seit fünfzigtausend Jahren oder noch länger die Herren dieses Planeten. Seit zweitausend Generationen haben wir keine natürlichen Feinde außer uns selbst gehabt. Im Lauf der Jahrhunderte haben wir unsere Mitgeschöpfe benutzt und schamlos missbraucht, und niemand hat uns Einhalt geboten.
    Kollegen, ich habe mein ganzes Berufsleben dem Studium der Sonde, ihrer Mechanismen und dem Wissensfundus gewidmet, den sie trug. Ich möchte jeden Einzelnen von Ihnen an eine höchst unangenehme Tatsache erinnern. Trotz unserer aufgeblähten Egos sind wir Menschen nicht die Krone der Evolution. Weit entfernt. Wir teilen diese Galaxis mit einer Milliarde anderer empfindungsfähiger Arten, von denen viele schon zivilisiert waren, bevor unsere Vorfahren von den Bäumen herunterkamen. Weit davon entfernt, die Herren der Schöpfung zu sein, sind wir nur ein kleiner Fisch in einem sehr kleinen Teich. Bevor wir uns nun aufs weite interstellare Meer hinauswagen, sollten wir deshalb nicht zumindest über die Möglichkeit nachdenken , dass Haie zwischen den Riffen lauern könnten?«
     
    Sergei Vischenko hatte seine politische Karriere als Gewerkschaftsführer begonnen. In den alten Tagen war er bekannt dafür, zweiundsiebzig Stunden ohne Schlaf auf Marathon-Verhandlungssitzungen zu überstehen. Für diese Ausdauer war er bei Freund und Feind gleichermaßen berühmt gewesen. Man hatte ihm den Spitznamen »Altes Eisenauge« verliehen.
    Leider waren diese Zeiten nun passé. Trotz aller Errungenschaften der modernen Medizin forderte das Alter seinen Tribut. Und nie war das so deutlich geworden wie beim Ende dieser nächtlichen Sitzung. Vischenko hatte es schließlich geschafft, die Arbeitsgruppe kurz vor der Morgendämmerung zu vertagen. Nach der Rückkehr zu seiner kleinen Hazienda an der

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