Lebenssonden: Roman (German Edition)
mein Vater Harrold Haller ist einer der zehn Reichsten. Er ist Vorsitzender des Aufsichtsrats von Haller & Partner, dem Familienunternehmens-Konglomerat. Und ich bin Präsidentin, solange ich nicht sein Missfallen errege. Das Familienvermögen beruht auf den Großtaten eines ›Blackpool‹ Haller, einer umtriebigen Person, die beim ›Asteroidenfieber‹ Anfang des einundzwanzigsten Jahrhunderts ihr Glück mit Überfällen auf Singularitäten-Prospektoren im Asteroidengürtel machte. Unser Vermögen steckt zum größten Teil in der Schwerindustrie – Werften, Kraftwerke, Großbaustellen. Wir besitzen darüber hinaus mehrere Forschungslabors, eine Schifffahrtslinie und ein paar hundert kleinere Firmen. Möchten Sie sonst noch etwas wissen, Kapitän?«
»Wie kommt es, dass Sie just in dem Moment auf der Sonde waren, als wir ankamen?«
»Wie ich Ihnen bereits sagte, war ich im Urlaub.«
»Es scheint doch ein recht großer Zufall zu sein, dass von den Milliarden Erdbewohnern Sie diejenige waren, die uns begrüßte.«
»Das hat überhaupt nichts mit Zufall zu tun. Ich bin einer der wenigen Menschen, die es sich leisten können, Ausflugsboote für eine Spritztour zu chartern.«
Braedon schürzte konzentriert die Lippen. »Das lässt die Dinge in einem anderen Licht erscheinen.«
»Inwiefern?«
»Ich hatte eigentlich gehofft, Zeit zu haben, um Sie über die Situation auf der Erde auszufragen. Wie es aber aussieht, wird jeden Moment eine Suchaktion nach Ihnen gestartet.«
»So schnell geht das nun nicht. Eine Weltraumsuche ist teuer. Bevor man die Raumwache losschickt, überprüft man gewöhnlich alle möglichen Ziele, die ein Pilot angesteuert haben könnte. Sie wären überrascht, wie viele Raumfahrer vergessen, ihre Flugpläne nach der Ankunft zu schließen. Aber stellen Sie nur weitere Fragen. Ich werde Ihnen alles sagen, was Sie wissen wollen.«
Terra runzelte die Stirn. »Sie hören sich fast so an, als ob Sie unglücklich darüber wären, dass Sie vermisst werden.«
»Das bin ich auch, Terra. Wie ich schon sagte, kann ich mich nicht erinnern, wann ich zuletzt etwas so Aufregendes erlebt habe. Ich will Ihnen dabei helfen, Ihre Ziele zu erreichen.«
»Was wissen Sie von unseren Zielen?«, fragte Braedon.
»Sie sagten, dass Sie eine Expedition starten wollten, um nach den Schöpfern zu suchen, richtig? Das ist genau die Art der Herausforderung, die die Menschheit im Moment braucht. Ich bin dabei!«
Der Raumwacht-Kreuzer Victrix war vor zwölf Tagen vom Raumhafen Phobos zur letzten Etappe eines dreimonatigen Patrouillenflugs gestartet. Leutnant Ricardo Santos hatte Dienst in der Nachrichtenzentrale und langweilte sich fast zu Tode. Er schaute zum Chronometer am Schott vor seiner Konsole auf. Die roten Ziffern sagten 04:30:28 – genau fünf Minuten später als beim letzten Check. Er seufzte und widmete sich wieder dem Computer.
Die sichelförmige Erde, deren blauweiße Schönheit ihn nach drei Monaten ewiger Schwärze schier blendete, war in der Mitte von Santos’ Bildschirm fixiert. Im Osten der Tag-Nachtgrenze verbargen große weiße Wolkenwirbel den Indischen Ozean. Im Westen wurden die Lichter Nordeuropas von einer Decke aus Neuschnee reflektiert. Dann fiel Santos’ Blick auf einen dunklen Lichtfleck auf der Iberischen Halbinsel. Sein Gehirn ergänzte die weißen Mauern und das mit roten Ziegeln gedeckte Dach einer Villa am Stadtrand von Barcelona.
Die Ansicht stammte von einer achtern installierten Kamera, die an die Hochleistungsantenne an der Steuerbordseite des Kreuzers montiert war. Ein glühendes Fadenkreuz peilte die Stelle an, wo Addis Adaba hätte sein sollen. Santos spielte mit der Antennensteuerung und sah, wie der Fokus der großen Schüssel ein paar Bogensekunden nach Westen schwenkte. Er kaute unbewusst auf einer Schnurrbartspitze herum, als er die feinen Anpassungen vornahm. Er wandte den Blick nur kurz vom großen Bildschirm ab, um einen kleineren Schirm daneben zu kontrollieren. Der kleine Hilfsschirm zeigte weiterhin Schneegrieseln, begleitet von einem leisen Zischen aus Santos’ Kopfhörern.
» Damnación! «
Der Leitende Techniker Laret Coxin schaute kurz vom Buchfilm auf, den er am Arbeitsplatz neben Santos scannte. »Sie können es genauso gut sein lassen, Mr. Santos. Bis der Kapitän unseren Abgasstrahl woandershin richtet als direkt auf die Erde, sind wir taub für die Unterhaltungsbänder. Teufel, bei dem ganzen Plasma, das sich vor uns ausbreitet, empfangen wir mit
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