Lebenssonden: Roman (German Edition)
Heimatstadt.
Ah, Regen! Er erinnerte sich ans Gefühl der Regentropfen im Gesicht, den Geruch in der Nase, die wohlige Wärme, als sein Lieblings-T-Shirt sich mit Feuchtigkeit voll sog.
Es versprach, ein schöner Tag für die Jagd zu werden.
Robert Braedon stand vor dem Sichtfenster im Büro, das an seine Kabine angrenzte, und schaute über tausend Meter Leerraum auf die Maschine, die seine Vorfahren zu den Sternen entsandt hatten. Aus seiner Perspektive schienen die Wunden der Sonde nicht gar so schlimm zu sein. Man vermochte sich leicht eine quicklebendige außerirdische Intelligenz irgendwo im Gitterrohrrahmen des Steuerabschnitts vorzustellen; einen elektronischen Geist, der stumm wartete und schaute, ob die schrägen Zweibeiner von Sol III ihren Teil der Abmachung erfüllen würden. Braedon fragte sich das auch.
»Robert.«
Braedon schaute über die Schulter auf die Lautsprecher-Abdeckung im Schott. »Ja, PROM.«
»Sie wirken sehr ruhig. Ich hoffe, dass ich Sie nicht bei der Arbeit störe.«
Er lächelte, angerührt durch die naive Bemerkung des Computers. Während der ganzen Reise hatte PROM ihn und jedes andere Besatzungsmitglied mit unablässiger Aufmerksamkeit beobachtet. Sie war der ultimative Voyeur. Und wenn sie einen nicht zu sehen vermochte, lauschte sie mit Ohren, die empfindlich genug waren, um die Position bloßer Füße auf einem dicken Teppich zu bestimmen. Und doch hatte sie trotz der ständigen Überwachung Skrupel wegen der Verletzung seiner Privatsphäre.
»Schon in Ordnung, PROM. Was gibt’s denn?«
»Ich glaube, dass die Solarier wissen, wo wir sind.«
»Bist du sicher?«
»Ich schätze die Wahrscheinlichkeit auf achtzig Prozent.«
Er entspannte sich langsam und drehte sich zum Schreibtisch um, den er für ein paar Minuten »Sonden-Gucken« geräumt hatte. »Gib mir die schmutzigen Details.«
»Ich verfolge zurzeit die sechstausendzwölf Ziele, die die größten Weltraumeinrichtungen der Solarier darstellen. In dieser Zahl enthalten sind dreihundertsiebenundzwanzig Raumfahrzeuge unter ›Dampf‹. Diese Letzteren werden sowohl anhand der Lichtemissionen der Fusionsgeneratoren verfolgt als auch anhand des Radiorauschens der Plasmaabgase. In den letzten Stunden sind zwei Schiffe aus dem Erdorbit ausgeschert, und ein drittes, das vom Mars zur Erde flog, hat seine Orbitalbahn radikal geändert. Alle drei sind nun in dieser Richtung unterwegs. Ich glaube, es handelt sich um militärisches Gerät.«
»Besteht die Möglichkeit, dass dies ein Suchtrupp auf der Suche nach Chryse Haller ist?«
»Drei Kriegsschiffe für ein Ausflugsboot? Unwahrscheinlich, Robert.«
»Wie zum Teufel haben sie uns gefunden?«
»Unbekannt. Meine Oberfläche ist von keinen Suchstrahlen getroffen worden. Möglicherweise haben sie etwas entwickelt, von dem wir nichts wissen. Jedoch können sie auch geraten haben, wer wir sind; in diesem Fall hätte es für sie nahe gelegen, die Sonde als unser Ziel abzuleiten.«
»Wie lange noch bis zu ihrer Ankunft?«
»Zwanzig Stunden für das erste. Zweiunddreißig für die anderen zwei.«
Braedon seufzte. »Irgendwann musste es ja mal passieren. Wo ist das Kontakt-Team?«
»Mit Ausnahme des Gelehrten Price, der in seiner Kabine abgefangene Kommunikation sichtet, beenden sie gerade das Frühstück.«
»Informiere sie über alles, was du mir erzählt hast, und sage ihnen, sie sollen in einer Viertelstunde in der Offiziersmesse sein.«
»Das tue ich in diesem Moment, Robert.«
»Sonst noch etwas, womit wir uns auf die Besucher vorbereiten können?«
»Ich würde vorschlagen, dass wir es ihnen nicht zu leicht machen, bis Sie Ihre Entscheidung getroffen haben. Diese Schiffe sind zweifellos mit Tele-Kameras bestückt und werden schon in wenigen Stunden in der Lage sein, uns darzustellen.«
Braedon nickte. »Logisch. Wie stoppen wir sie also?«
»Ich schlage vor, dass wir uns im Kernschatten der Sonde aufhalten. Das wird uns zwar nicht vor dem Radar verbergen, aber es wird Fotografie mit reflektiertem Licht unmöglich machen.«
»Vorschlag akzeptiert. Triff die Vorbereitungen für diese Maßnahmen.«
Zehn Minuten später schob die gleißende Sonnenscheibe sich hinter die Sonde. Als es zum ersten Mal seit ihrem Einflug ins Sonnensystem wieder dunkel wurde, sah Braedon einen Lichtblitz nahe der von hinten beleuchteten Antriebs-Sphäre. Dem Blitz folgten noch einer, noch zwei und dann Dutzende – bis die Sonde in eine Wolke wirbelnder funkelnder Diamanten gehüllt
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