Lebenssonden: Roman (German Edition)
wurde von einem Zischen begleitet, als der Druck auf etwas weniger als die halbe Atmosphäre reduziert wurde, die in den meisten Mondstädten herrschte. Alle drei sperrten den Mund auf, um den Druckausgleich für die Ohren herzustellen, als die Tür weit aufschwang.
Sie fanden sich in einer großen Höhle wieder, die mit einem systematisch angelegten Labyrinth ausgefüllt war. Das aus drei Meter hohen Wänden bestehende Labyrinth hatte kein eigenes Dach, sondern wurde von der Höhle selbst überwölbt. Flutlichter hingen fünfzig Meter über ihren Köpfen an der Gesteinsdecke. Die Höhle war mit Maschinen angefüllt. Brea blinzelte und versuchte, die Dimensionen des offenen Raums vor sich zu erfassen. Er hatte bestimmt die zehnfache Größe der Operationszentrale.
»Was ist das für ein Ort?«, fragte sie.
»Ursprünglich war er eine große Eislagerstätte. Als man sie schließlich ausgebeutet hatte, wurde die Örtlichkeit in den Akademiekomplex integriert. Nun beherbergt sie das Akademie-Kriegsmuseum, die umfangreichste Waffensammlung im ganzen Sonnensystem.«
»Ich dachte, die Friedenstruppen sollten Kriege verhindern?«
Stassel nickte. »Das besagt unsere Charta.«
»Ist dieses Gerödel dann nicht ein wenig deplatziert?«
»Mitnichten. Er dient der Polizei für kriminologische Studien, den Ärzten fürs Studium von Krankheiten und uns fürs Studium des Kriegs. Schließlich ist Krieg, historisch gesehen, der Lieblingssport unserer Art.«
»Klingt das nicht etwas melodramatisch?«
»Es ist lediglich ein simples Feststellen von Tatsachen, Brea. Die menschliche Natur hat sich im Grunde nie geändert, müssen Sie wissen. Unser Erbe erstreckt sich von den Kriegern von Sumer, Elam und Sparta über die römischen Legionen bis zu den ›Bürgern in Uniform‹ der zwei Weltkriege. Glauben Sie wirklich, die Nachkommen von dreitausend Wolfsgenerationen hätten sich plötzlich in Schafe verwandelt? Nun, bisher haben wir uns wacker geschlagen; jedenfalls besser, als viele Menschen es erwartet hätten. In den hundertzwanzig Jahren seit der ersten Atombombe haben wir nur einmal wirklich am Rand des Abgrunds gestanden. Keine schlechte Bilanz. Aber wie sieht es langfristig aus? Wird es uns gelingen, Armageddon für weitere zwölf Jahrzehnte aufzuschieben? Oder für zwölf Jahrhunderte oder gar zwölf Jahrtausende?«
Lisa räusperte sich. »Sind denn alle Friedenssoldaten so pessimistisch wie Sie, Major Stassel?«
Stassel schüttelte den Kopf. »Im Gegenteil – ich bin ein Optimist. Jemand, der glaubt, dass ein neuer Faktor in die Gleichung eingeflossen ist, und zwar einer, der uns noch rettet – wenn wir es zulassen. Wenn wir unsere gewalttätige Natur noch für hundert Jahre oder so in Schach zu halten vermögen, müssten wir es geschafft haben.«
»Und was geschieht in hundert Jahren?«
»Wenn wir Glück haben, schwärmen wir zwischen den Sternen aus. Wir befinden uns zurzeit in einer kritischen Phase. Die Menschheit ist noch immer auf einem einzigen Planeten zusammengedrängt. Selbst eine kleinere Naturkatastrophe könnte uns auslöschen. Aber wir könnten das auch selbst erledigen. Es ist eine inhärent instabile Situation.
Aber stellen Sie sich vor, was geschieht, wenn wir endlich die Einstein-Barriere knacken! Schon in ein paar Jahrzehnten werden wir uns so weit ausgebreitet haben, dass keine einzelne Katastrophe – kein Krieg, keine Flutkatastrophe, nicht einmal die Explosion der alten Sonne selbst – imstande wäre, uns alle auszulöschen. Bis dieser schöne Tag jedoch kommt, müssen wir streitsüchtigen Menschen uns unser blutiges Hobby verkneifen. Das ist letztendlich auch der Zweck dieses Museums: unsere Kadetten an ihre Verantwortung gegenüber der menschlichen Rasse zu erinnern.«
»Was ist das da?«, fragte Lisa dann unvermittelt.
Stassel drehte sich um und folgte der Richtung, in die ihr Finger wies. Er war froh, das Thema wechseln zu können. » Das da ist eine alte Laserkampfstation der Herkules-Klasse. Der Zylinder ist ein dynamischer Wasserstoff/Fluor-Laser, das runde Gebilde daneben die Steuereinheit. Diese Station ist der Friedenskontroll-Satellit Alpha Neun. Mein Großvater hat dort gedient.«
»Ihr Großvater?«, fragte Brea.
Er nickte. »Wir Stassels sind eine alte Soldatenfamilie. Ich bin in der dritten Generation in der Friedenstruppe.«
Er schaute wieder auf die Uhr. »Wir müssen uns sputen, wenn wir noch zu Abend essen wollen. Ich dachte, Sie wollten vielleicht einen kurzen Blick
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