Lebenssonden: Roman (German Edition)
kein Beweis.«
»Was ist mit dem Rest der Nachricht?«, fragte Stassel.
»Sie ist um T plus acht Stunden eingegangen. Am Anfang kam wieder eine Reisebeschreibung und dann eine längere Botschaft von der Sonde selbst …«
»… wobei sie uns stets versicherte, dass sie in Frieden komme«, sagte Roquette.
»Immerzu«, pflichtete Liu ihm bei. »Und sechzehn Stunden nach dem ersten Kontakt hat sie erneut eine Änderung vorgenommen und sich auf eine konventionellere Erzählform verlegt. Sie sagt, dass sie unsere Hilfe beim Auftanken für die Heimreise benötigt. Sie erklärt sich sogar bereit, uns für unsere Dienste zu bezahlen. Die Währung soll ›höheres Wissen‹ sein. Und in der vierten Phase der Übertragung hat sie dann Bilddiagramme gesendet – anscheinend um die Plausibilität ihrer Aussagen zu stützen.«
»Diagramme?«
Liu nickte. »Alle unter Verwendung der standardmäßigen elektrischen, mechanischen und gravitationstechnischen Symbole. Anscheinend hat sie uns seit langem studiert.«
»Wann kann ich die ganze Botschaft sehen?«, fragte Brea. Die Aufregung stand ihr ins Gesicht geschrieben.
»Auf die Projektbibliothek können Sie von jedem Bildschirmarbeitsplatz aus zugreifen«, erwiderte Roquette.
»Wie ist der Sicherheitscode?«
Der weißhaarige Professor lachte glucksend. »Es ist kein Sicherheitscode erforderlich. Sinnlos, etwas geheim halten zu wollen, das die ganze Welt mithören kann.«
»Bin ich entschuldigt, Admiral? Ich muss das unbedingt sehen!«
»Natürlich«, sagte Liu. Er erhob und verneigte sich vor Brea, die ebenfalls aufstand.
Brea wandte sich an Stassel. »Wollen wir uns die Szenen aus dem Weltraum zusammen anschauen?«
Liu schüttelte den Kopf. »Es tut mir Leid, aber ich muss den Major bitten, noch etwas zu bleiben. Wir müssen seine neuen Aufgaben besprechen.«
Brea zuckte die Achseln. »Dann sehen wir uns später. Vergiss nicht, wir sind zum Mittagessen verabredet.«
»Ich werde kommen.«
Er brachte Brea zur Tür und drehte sich dann wieder zu den beiden Männern um. Ihm fiel auf, dass Lius Gesichtsausdruck sich in diesen paar Sekunden subtil geändert hatte. Roquette machte plötzlich auch einen besorgten Eindruck.
»Wir haben ein Problem«, sagte Liu.
»Das dachte ich mir schon, Sir.«
»Vor vier Nächten hat jemand versucht, in die Nachrichtenzentrale einzudringen – anscheinend wollte er eine Meldung absetzen. Wir haben einen Spion an Bord der Bernadotte .«
Stassel nickte. Das war natürlich keine Überraschung.
Liu beugte sich plötzlich nach vorn. »Ich will, dass er gefunden wird. Aber ohne Aufsehen zu erregen. Neben Ihren regulären Aufgaben sind Sie ab sofort auch mit der Leitung der Untersuchung beauftragt.«
Yorubi M’Buto lauschte dem unablässig aufs Dach des Automatik-Taxis prasselnden Regen, während das Vehikel sich einen Weg über die obere Ebene der zweistöckigen Verkehrsadern von Manhattan bahnte. Vor ihm verschwand der Weg in einem konturenlosen schwarzen Würfel mit einer Kantenlänge von einem halben Kilometer. Als das Taxi den Abgrund überbrückte, den die Zweiundvierzigste Straße bildete, erhaschte er durch eine Lücke in der modernen Architektur im Süden einen streiflichtartigen Blick auf die riesige Ruine des Empire State Building.
Er lächelte bei dem Anblick.
M’Buto hatte die alte Reliquie immer als ein Symbol dessen betrachtet, was mit der Nordamerikanischen Union – und den mit ihr verbundenen müden, dekadenten und überindustrialisierten Nationen der nördlichen Hemisphäre – im Argen lag. Die meisten der vom »Streifschuss« von’94 touchierten Wolkenkratzer waren für unsicher erklärt und abgerissen worden. Doch das alte Empire State war seit siebzig Jahren unberührt geblieben – als Opfer eines generationenlangen Rechtsstreits. Vor vier Tagen hatte der Pöbel die Angelegenheit dann abschließend »geregelt« und das Gebäude in Brand gesteckt. Es quoll noch immer Rauch aus dem geschwärzten Skelett.
Das Auto-Taxi drehte nach Norden ab und verschwand in der Seite der Megastruktur der Rockefeller Plaza. Lautlos fuhr es durch den oberen Bereich einer höhlenartigen Hotelhalle und hielt dann an einem Taxistand an. M’Buto klappte das Dach des Taxis hoch, nahm die Reisetasche vom Rücksitz und betrat die mit Teppichboden ausgelegte Plattform der Station. Von der Station war es ein zügiger zweiminütiger Spaziergang bis zu den Büros der Gesandtschaft der panafrikanischen Föderation bei den Vereinten
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