Lebenssonden: Roman (German Edition)
bevor ich zu Boden ging. Keine Chance.«
»Hmmm. Könnte es dann ein Marine gewesen sein? Vielleicht hegt einer Ihrer Kameraden einen Groll gegen Sie und wollte es wie einen Angriff auf die Nachrichten-Zentrale aussehen lassen?«
»Nein, Sir. Ich komme mit den anderen gut aus. Außerdem hasse ich die Vorstellung, dass einer von uns sich als Messerstecher betätigt. Wenn ein Marine einen Kameraden nicht mag, lädt er diese Person an einen ruhigen Ort zu einer ›Aussprache‹ ein.«
»Erinnern Sie sich sonst noch an etwas?«
»Nein, Sir.«
»Hätten Sie etwas dagegen, dass man Sie unter Hypnose setzt und herausfindet, woran Ihr Unterbewusstsein sich erinnert?«
»Äh, nicht, wenn es etwas nützt, Sir.«
»Mehr werden wir vielleicht überhaupt nicht brauchen. Melden Sie sich im Sanitätsbereich und sagen Sie dem Doc, er soll eine Erinnerungs-Sitzung durchführen.«
»Jawohl, Sir.«
»Wegtreten.«
»Sir!« Der Unteroffizier nahm Haltung an, grüßte, machte kehrt und verließ das Büro. Stassel kaute für eine Weile auf den Lippen, bevor er sich wieder dem Bildschirm zuwandte. Nun kam die zähe Ermittlungsarbeit.
Das Projekt Jungadler war gewachsen, während er und Brea auf der Erde gewesen waren. Ungefähr zweihundert Menschen lebten und arbeiteten nun an Bord der Graf Bernadotte . Die Projektpersonalliste verzeichnete 206 Namen für die Nacht des Angriffs. Es wäre eine langwierige und mühsame Arbeit, alle Verdächtigen zu überprüfen – auch wenn er diejenigen aussonderte, die zu diesem Angriff körperlich gar nicht in der Lage gewesen wären.
Stassel war gerade mit der fünfzigsten Personalakte beschäftigt, als jemand an die Tür klopfte. Er aktivierte den Bildschirmschoner und drehte sich zum Eingang um. »Herein!«
Die Luke öffnete sich und brachte Brea zum Vorschein. Sie trat über die hohe Kante. »Ich dachte, wir hätten uns vor dem Abendessen in der Lounge zu einem Drink verabredet.«
Stassel stöhnte. »Schon so spät? Ich werde in einer Minute bei dir sein.«
Zehn Minuten später geleitete er sie durch den Hauptgang zur Lounge, die in einem alten Lagerbereich in der Nähe der Messe eingerichtet worden war. Sie bestand aus Gruppen von Tischen, die aus allen Abteilen des Schiffs stammten, einem wandbreiten Holovisionsschirm, Getränkeautomaten und schummriger Beleuchtung. Direkt neben der Hauptluke hatte jemand eine Kopie des Comicbilds, das Admirals Lius Tür zierte, an die Stahlwand geklebt: Nun wurden alle Besucher vom drolligen kleinen Jungadler begrüßt, der sich aus der Eierschale pickte.
Die Halle war nur spärlich besetzt, als Stassel und Brea hereinkamen. Sie zogen sich Getränke und setzten sich dann in eine Art Separee im hinteren Bereich der Lounge. Eine kleine Technikergruppe schaute ein Nachrichtenprogramm auf dem Holo-TV – eine von endlos vielen Sondersendungen über die Sonde. Auf dem Bildschirm waren Ausschnitte von der Vollversammlungsdebatte zu sehen, Bilder der Zerstörung durch den randalierenden Mob und Interviews mit Wissenschaftlern.
»Wo sind die denn alle, Brea?«, fragte Stassel und ließ den Blick über die unheimlich ruhige Szene schweifen.
»Doktor Rheinhardt hält auf dem Beta-Deck einen Vortrag über das Antriebssystem der Sonde. Ich habe auf dem Weg zu deinem Büro mal reingeschaut. Der Raum ist proppenvoll.«
»Solltest du nicht auch dort sein?«
Brea zuckte die Achseln. »Ich möchte aber lieber bei dir sein. Außerdem habe ich bei der Vorbereitung des Vortrags geholfen, sodass ich ihn eh schon kenne. Helena hat den ursprünglichen Blitz studiert und ein Team von Ingenieuren und Physikern auf der Erde beauftragt, anhand dieser Untersuchung ein Modell des Antriebssystems der Sonde zu entwickeln. Sie glaubt bereits zu wissen, wie die Sonde verzögert.«
»Wie denn?«
»Durch eine regelrechte Mutprobe!« Stassel drehte sich um und sah, dass Doktor Wojcelewitsch hinter ihnen stand. Der polnische Professor nahm ein Glas aus dem Getränke-Automaten. »Darf ich mich zu Ihnen setzen?«
»Es wäre uns eine Ehre.«
»Ich störe Sie doch hoffentlich nicht, oder?«
»Nein, Sir«, sagte Stassel, »obwohl ich Sie eher bei dem Vortrag vermutet hätte.«
»Ich bin bereits dort gewesen und habe ihn mir zu Gemüte geführt. Der Vortrag selbst ist schon vorbei. Es wird nur noch nachgekartet. Ich wollte es mir nicht antun, dass Helena Rheinhardts erstklassiger Vortrag durch irgendwelche Kritikaster zerpflückt wird.« Wojcelewitsch nippte am Getränk, spitzte
Weitere Kostenlose Bücher