Lebenssonden: Roman (German Edition)
und ein paar Milliarden Kometen. Ich weiß zwar nicht, wie Sie beide das sehen, aber ich finde das beengend und deprimierend!«
Die New Yorker Skyline bildete ein einziges Lichtermeer, als Yorubi M’Buto in General Yaruandas Studierzimmer wartete. Die Vid-Wand des Generals war mit einer Kamera auf der Spitze der wiederaufgebauten Freiheitsstatue verbunden. Die Wand zeigte Manhattan aus der Perspektive des Battery Park. M’Buto zog es vor, einen zusätzlichen Obolus zu entrichten, um eine Live-Einblendung der Viktoriafälle in seiner Wohnung zu haben. Es erinnerte ihn an zu Hause.
Die Tür zum Studierzimmer öffnete sich, und der General trat ein. Er trug Abendkleidung – ein formelles kastanienbraunes Cape über einem kirschroten Overall.
»Schön, dass Sie gekommen sind, Ubi«, sagte er, ging voller Elan zum Schreibtisch und setzte sich.
» Mein Leben gehört Euch, Jagdmeister .«
»… und Mutter Afrika«, erwiderte Yaruanda. »Ich habe heute Nachmittag Ihren Bericht gelesen. Ich hielt es für besser, ihn außerhalb des Büros zu besprechen.«
»Jawohl, Sir.«
»Sie empfehlen also, dass Panafrika die Resolution unterstützt, die Sonde im Sonnensystem willkommen zu heißen. Weshalb?«
M’Buto runzelte die Stirn. »Ich war der Ansicht, das sei offensichtlich, Jagdmeister. Das Wissen der Sonde ist eine Quelle enormen Reichtums und Macht. Wenn schon nichts anderes, so schulden es wir den zukünftigen Generationen, alles in unserer Macht Stehende zu unternehmen, um sie uns anzueignen.«
Der General lehnte sich im elektrisch verstellbaren Sessel zurück, platzierte die Ellbogen auf den Armlehnen und legte die Finger unter seinem Bart aufeinander.
»Der Vater Ihrer Mutter ist beim Soweto-Aufstand von zweiundzwanzig umgekommen, nicht wahr, Ubi?«
»Das wissen Sie doch.«
»Wieso?«
»Ich verstehe nicht.«
»Ganz einfach, Oberst – wieso hat er es getan? Er war noch relativ jung, bei guter Gesundheit und hatte drei minderjährige Kinder. Er lebte in einem sauberen Getto mit fließendem Wasser in jeder Straße. Er hatte wahrscheinlich sogar ein TV-Gerät. In materieller Hinsicht war er besser dran als sein Vater und viel besser als sein Großvater.«
»Was wollen Sie damit sagen, Herr?«
»Nur dass Ihr Großvater seinen Großvater beneidet hat, auch wenn er ein besseres Leben hatte.«
»Natürlich. Ururgroßvater war ein freier Mann. Großvater war hingegen ein Bürger zweiter Klasse in seinem eigenen Land.«
»Also hat die Geschichte eine Moral, Ubi. Der Besitz eines Mannes zählt nicht so viel wie seine Lebensqualität. Ihr vier Generationen entfernter Vorfahr war glücklich, weil seine paar Ziegen und die Grashütte ihn zu einem wohlhabenden Mann machten. Sein Enkel starb im Kampf für die Freiheit Afrikas, weil – obwohl er in relativem Wohlstand lebte – seine Lebensweise schlechter war als die seiner Unterdrücker.
Alles ist relativ, Oberst. Was hat man davon, in einem Palast zu leben, wenn man der Diener von jemandem in einem noch größeren Palast ist? Nehmen wir einmal an, dass die Sonde ihr Versprechen einlöst und der Menschheit ihr Wissen schenkt. Was glauben Sie, wer dieses Geschenk wohl kontrollieren wird? Wer ist am besten aufgestellt, um fortgeschrittene wissenschaftliche Erkenntnisse zu verwerten? Wer sonst außer den Weißen? Falls die schwarzen und braunen Völker überhaupt davon profitieren, dann nur von Almosen dieser Teufel. Sie werden das Beste für sich behalten und uns ein paar Knochen hinwerfen, um uns ruhig zu stellen.«
General Yaruanda warf einen Blick auf das alte Schiffs-Chronometer, das seinen Schreibtisch zierte. »Ich bin auf dem Sprung, Oberst. Wir können dieses Gespräch morgen fortsetzen, wenn Sie möchten.«
M’Buto runzelte die Stirn. »Wie lauten Ihre Befehle, Meister?«
Yaruanda räusperte sich. »Keine Befehle, Oberst. Nur Informationen. Botschafter Boswani und ich haben nach Hause gekabelt. Die Verantwortlichen sind übereingekommen, dass den Interessen Panafrikas am besten gedient wäre, wenn wir die Resolution für die Begrüßung der Sonde im Sonnensystem ablehnen.«
19
Ihre Exzellenz, Hochwürdige Agusta Louise Meriweather schaute von der endgültigen Fassung ihrer Rede auf und sog mit den Augen den altehrwürdigen Charme des Plenarsaals der Vollversammlung ein. Während der Blick über die vielen Gesichter schweifte, spürte sie die knisternde Spannung, die den Plenarsaal erfüllte. Es lag eine unbeschreibliche Aura über diesem alten
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