Lebensstrahlen
fuhr der Franzose fragend fort. »Ich hörte den Namen in Verbindung mit physikalischen Forschungen … Strahlungsforschungen, wenn ich mich recht erinnere. Es müßte hochinteressant sein, den Mann und sein Laboratorium kennenzulernen. Glauben Sie, daß es möglich wäre, ihn aufzusuchen?«
Spranger machte eine unbestimmte Bewegung. »Das kann ich Ihnen nicht sagen. Da fragen Sie besser Doktor Holthoff, der kann Ihnen eher Bescheid geben.«
Während Spranger es sagte, winkte er zu Holthoff hinüber, um ihn noch einmal an seinen Tisch zu bitten. Der Doktor erhob sich auch, aber offenbar hatte er den Wink als eine allgemeine Einladung aufgefaßt, denn er kam mit dem anderen, mit dem er zusammengesessen hatte, herüber.
»Darf ich die Herrschaften bekannt machen? Herr Hauptmann Reinhard«, führte er ihn ein.
»Oh, Sie sind Offizier?« fragte Spranger.
»Gewesen, Mister Spranger«, wehrte Reinhard ab. »Ich mußte wegen einer Dienstbeschädigung meinen Abschied nehmen.«
William Spranger wünschte genauer zu wissen, was eine Dienstbeschädigung wäre und verwickelte Reinhard in ein längeres Frage-und-Antwort-Spiel, während Holthoff und Bigot ein wenig beiseite ein Sondergespräch hatten. Obwohl es mit gedämpfter Stimme geführt wurde, gelang es Reinhard doch, wesentliche Teile davon zu hören.
»Es tut mir aufrichtig leid, Monsieur Bigot«, hörte er Holthoff sagen, »aber ich glaube nicht, daß Doktor Eisenlohr seinen Standpunkt in dieser Angelegenheit geändert hat. Vorläufig müssen die Arbeiten, mit denen er sich beschäftigt, unbedingt geheimbleiben. Gewiß, wenn Sie darauf bestehen, will ich Doktor Eisenlohr Ihren Wunsch nochmals mitteilen, aber ich glaube nicht …«
Reinhard mußte seine Aufmerksamkeit wieder Mr. Spranger zuwenden, dessen Wissensdrang immer noch nicht erschöpft war.
Für Dr. Holthoff indessen wurde es Zeit, seinen Besuch bei Professor Braun zu machen.
Er stand auf und verabschiedete sich.
Auf halbem Weg zum Fahrstuhl kam ihm Spranger nach und hielt ihn noch einmal an.
»Was haben Sie noch auf dem Herzen, Mister Spranger?« fragte der Doktor.
»Sie sollten Ihren Freund nicht mit dem Franzosen allein lassen!« platzte Spranger los. »Der Mann ist kein geeigneter Umgang.«
»Ja, aber Sie verkehren doch mit ihm!« warf Holthoff ein.
Der Amerikaner zuckte die Achseln. »Eine Reisebekanntschaft, auf der Überfahrt von New York nach Le Havre gemacht. Sie wissen ja, wie das so geht, Herr Doktor, man lernt sich an Bord kennen und wird die Leute nachher nicht mehr los.«
»Mein Freund Reinhard wird ihn schon wieder loswerden, wenn er genug von ihm hat«, meinte Holthoff, trat in den Fahrstuhl und ließ sich in den zweiten Stock emporfahren.
In einem geräumigen Zimmer traf er Professor Braun, der ihn bereits erwartete.
»Ich kenne Herrn Eisenlohr als einen ernsthaften Forscher«, eröffnete der Professor die Unterhaltung, »aber ich will Ihnen nicht verhehlen, daß ich recht skeptisch bin.«
»Je skeptischer, desto besser, Herr Professor«, erwiderte Holthoff. »Es ist uns nicht unbekannt, daß es auf dem von uns bearbeiteten Gebiet schon viele Enttäuschungen gegeben hat.«
»Sehr viele, Herr Doktor«, bestätigte Professor Braun. »Wir wissen zwar heute, daß die Grenze zwischen anorganischen und organischen Individuen, zwischen Kristallen und Amöben eine unsichere ist, aber zu überschreiten hat sie bisher noch niemand vermocht.«
Holthoff stellte ein winziges Köfferchen auf den Tisch, öffnete es, entnahm ihm ein Reagenzglas, das mit einem Wattebausch verschlossen war.
»Würden Sie die Güte haben, sich das einmal näher zu betrachten?« sagte er, während er es dem Professor reichte.
Professor Braun nahm das Röhrchen in die Hand. Sein Blick blieb auf einem kleinen Etikett haften. Er las eine Zahl ab.
»2318 steht hier notiert. Was hat das zu bedeuten?«
»Es ist das Ergebnis unserer zweitausenddreihundertachtzehnten Versuchsanordnung, Herr Professor.«
Der Professor stutzte. »Versuchsanordnung, sagten Sie … Ja, wie viele Versuche haben Sie denn gemacht?«
»Mehr als zehntausend. Schritt für Schritt haben wir uns immer näher an eine Lösung herangearbeitet. Was Sie in dem Glas dort sehen, ist die Frucht einer langen Arbeit.«
Der Professor griff nach einer Lupe und trat ans Fenster. Das kleine Reagenzglas war zur knappen Hälfte mit einer wasserklaren Gelatine gefüllt. Auf der Oberfläche der Gelatine befand sich eine etwa erbsengroße trübere Stelle. Lange
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