Lebensstrahlen
schob Spranger ein Buch hin. Der schlug es auf und wurde blaß, während er darin blätterte.
»Um des Himmels willen, Kelly! Was haben Sie getan? Diese Orders – Millionen und nochmals Millionen – ein Mehrfaches unseres Kapitals – schwache Deckung! Gehen die Kurse noch zehn Punkte zurück, dann sind wir erledigt! Mein Gott!
Wie konnten Sie nur …!«
»Die Kurse werden nicht weiter fallen. Ich habe richtig beim tiefsten Stand gekauft. Seit gestern ist bereits eine Beruhigung des Marktes zu merken. Morgen, spätestens übermorgen werden meine Bomben platzen. Die Presse wird programmgemäß über Old Kelly herfallen, und gleichzeitig wird an allen Börsen ein Boom in Goldpapieren ausbrechen. Alle, die Minenaktien gefixt haben, werden sich eindecken müssen.«
Spranger hielt sich die Ohren zu. »Hören Sie auf! Und wenn’s andersrum geht, sind wir fertig! Ich fürchte, Kelly, Sie sind zu hart am Wind gesegelt!«
»Zu hart nicht, Spranger. Hart ran – meinetwegen. Es war notwendig, wenn das Geschäft sich lohnen sollte. Vernünftigerweise dürfen wir annehmen, daß die Goldwerte ihren früheren Kurs wieder erreichen. Wahrscheinlich werden sie ihn vorübergehend überschreiten. Ich werde den Höchststand nicht abwarten, sondern beizeiten realisieren.«
»Und wenn Bigot doch etwas gelingt, Kelly?«
»Bigot ist ein Schwindler.«
»Nein, Kelly! Zweimal hat er durch seine Strahlung wirklich Gold erzeugt. Auch Doktor Eisenlohr hat das zugegeben.«
»Durch Strahlung erzeugt? Vielleicht, Spranger, aber dann bestimmt nicht bei dem Versuch, den er uns vormachte. Ich habe den andern Burschen, diesen Professor Hartford, keinen Moment aus den Augen gelassen. Er hat die Sache geschickt gefingert, aber für mich nicht geschickt genug.«
»Sie haben mir kein Wort davon gesagt, Kelly.«
»Mit Absicht nicht. Ich wollte noch eine Bestätigung von einer andern Seite haben. Es kam mir sehr gelegen, daß Sie damals gleich wieder Ihren Freund in Deutschland aufsuchten.
Sobald ich Ihr Telegramm hatte, entschloß ich mich, loszuschlagen.«
William Spranger sah unsicher vor sich hin. Alles, was Kelly ihm sagte, schien durchaus logisch zu sein, und doch wollten ihm die Worte Eisenlohrs nicht aus dem Sinn. »Diese beiden Proben sind zweifellos durch Strahlung erzeugtes Gold«, hatte ihm der auf der Eulenburg gesagt.
»Ziehen Sie Ihr Gesicht in andere Falten, Spranger!« rief ihm Kelly zu. »Es könnte sonst so stehenbleiben, wenn die Glocken von Notre-Dame zu läuten anfangen!«
*
Am nächsten Tag sah sich Eisenlohr veranlaßt, in eine Meinungsverschiedenheit zwischen Professor Braun und Dr.
Holthoff vermittelnd einzugreifen.
Der Professor hatte die Absicht geäußert, die sämtlichen Gelatinearten, die er mit auf die Eulenburg gebracht hatte, der Strahlung zu unterwerfen. Dr. Holthoff vertrat die verständigere Meinung, daß es mit den bisher erfolgreich bearbeiteten zwanzig Sorten wohl des Guten zunächst genug wäre.
Eine Weile hörte sich Eisenlohr die Debatte der beiden ruhig mit an, benutzte dann einen geeigneten Augenblick, um eine Frage da zwischenzuwerfen.
»Was würden Sie damit erreichen, Herr Professor Braun, wenn Sie im Laufe der nächsten Woche auch noch die restlichen hundertachtzig Proben bearbeiteten? Wir würden keinen Deut mehr erfahren, als wir heute bereits wissen, mein verehrtester Herr Professor«, sprach Eisenlohr weiter. »Die Hauptsache ist geklärt. Die Urzeugung, das heißt die Umwandlung unbelebter in belebte Materie, ist uns gelungen.«
»Sie ist Ihnen gelungen, Herr Doktor«, bestätigte Braun die Worte Eisenlohrs. »Den Ruhmestitel kann Ihnen niemand streitig machen.«
Eisenlohr schüttelte den Kopf. »Verzeihung, Herr Professor, nach internationalen wissenschaftlichem Brauch gilt derjenige als Entdecker, der eine neue Sache zuerst veröffentlicht.«
»Wer außer Ihnen sollte das tun können?«
»Der Zufall spielt bisweilen wunderlich, Herr Professor Braun. Die Geschichte der Forschung kennt Fälle, die zur Vorsicht mahnen. Ich halte es für angebracht, daß wir jetzt einen kurzen Bericht für unsere Fachpresse herausgeben. Ich denke mir die Sache so: Ich gebe einen knappen Bericht über die ersten glücklich gelungenen Urzeugungen unter Nennung meiner beiden Mitarbeiter. Sie schließen sich als Gutachter mit einem zweiten Bericht an, in dem Sie Ihre Erfahrungen mit andern Gelatinearten mitteilen. Das Ganze läßt sich nach meiner Schätzung auf vier normalen Druckseilen erledigen,
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