Lebensstrahlen
dafür den Kittel an. »Nehmen Sie auch einen!« Er reichte ihm einen zweiten Kittel. »So!« fuhr er fort, nachdem Bruck ihn angezogen hatte. »Wir wollen eine Leitung ziehen. Ich habe die Trasse bereits abgesteckt und alles vorbereitet.« —
Es war ein tüchtiges Stück Arbeit. Über fünfhundert Meter hin von der Burg bis zu dem kleinen Teich galt es, eine blanke Freileitung zu legen.
Bruck machte sich allerlei Gedanken darüber, während sie gemeinsam die starken Kupferdrähte von Isolator zu Isolator spannten, und seine Neugier wurde noch stärker, als danach der zweite Teil der Arbeit an die Reihe kam.
Auf einem Karren schafften sie gemeinsam den keineswegs leichten Transformator an den Teich. Eine kräftige Bohle mußte hier vom festen Ufer zu einem Felsblock gelegt werden, der, von dichtem und übermannshohem Schilf umgeben, in dem sumpfigen Vorland lag. Dann erst konnten sie den Apparat dorthin bringen und aufstellen.
Die Sonne stand schon tief am Horizont, als alles richtig zusammengeschaltet war. Dr. Bruck fühlte, wie sein Magen knurrte. Eisenlohr lachte.
»Sie scheinen Appetit zu haben, Kollege. Ist nach der Arbeit ohne Mittagspause und ohne Mittag nicht weiter verwunderlich. Um so besser wird’s Ihnen jetzt schmecken.« Langsam stiegen sie den Berg wieder hinauf; Bruck schleppte die Leiter, Eisenlohr trug eine schwere Werkzeugtasche. Ein paarmal machten sie halt, um zu verschnaufen.
Während einer solchen Rast sagte Eisenlohr: »Ich möchte unter keinen Umständen, daß über die Versuche, die ich hier vorhabe, vorzeitig etwas bekannt wird. Also bitte, Herr Doktor, auch Diskretion gegenüber Braun und Holthoff!«
Schweigend schulterte Bruck seine Leiter; sie stiegen weiter.
*
»Doch etwas zu früh verkauft!« rief Kelly und reichte Spranger einen Kurszettel hin. Der schob ihn zurück.
»Interessiert mich nicht mehr. Gott sei Dank, daß wir die Geschichte hinter uns haben. Sie sollten endlich etwas tun, Kelly, um Ihren ramponierten Ruf wiederherzustellen.«
»Mir egal, was man über mich denkt, Spranger. Ärgert mich nur, daß ich unsere Goldpapiere etwas zu früh abgestoßen habe. Habe mich durch den Kerl, den Bigot, bluffen lassen. Drei Wochen sind darüber verstrichen. Jeden Tag dachte ich, er würde sich melden …«
»Ich bin heilfroh, daß wir den Menschen glücklich los sind«, unterbrach ihn Spranger. »Das Konto Bigot bleibt ein finsterer Posten in unserem Hauptbuch.«
»Aber ein recht nutzbringender.«
»Lassen wir das«, wehrte Spranger ab. »Es ist etwas anderes, das mir nicht aus dem Kopf will.«
»Schießen Sie los, Spranger! Was haben Sie noch auf dem Herzen?«
»Es ist die Einstellung meines alten Studienfreundes Eisenlohr zu diesen Dingen. Sie bleibt mir ein Rätsel.«
»Eisenlohr?« Kelly machte eine abfällige Bewegung. »Kein Mann, um Geschäfte mit ihm zu machen. Soweit ich es übersehe, der typisch deutsche Gelehrte. Er soll Gelatine durch eine Strahlung lebendig gemacht haben. Dafür gibt ihm Wallstreet keinen roten Cent.«
»Sie kennen Eisenlohr nicht, sonst würden Sie anders von ihm reden«, unterbrach Spranger seinen Partner. »Er hat nicht nur bedeutende Erfindungen gemacht, sondern auch verstanden, sie gewinnbringend zu verwerten. Haben Sie niemals etwas von den Eisenlohrpatenten gehört?«
»Keine Ahnung, Spranger«, sagte Kelly.
»Er bezieht Lizenzen daraus, die nicht von schlechten Eltern sind. Glauben Sie mir, Kelly, er ist kein schlechter Geschäftsmann und gerade deswegen wundert es mich, daß er so gar keinen Wert auf eine seiner neuesten Entdeckungen legt. Er kann heute schon mehr als Ihr Freund Bigot. Ich habe Proben von synthetischem Gold bei ihm gesehen, die wesentlich vollkommener waren als alles, was uns Bigot bisher gezeigt hat.«
Kelly spitzte die Ohren. »Was sagen Sie, Spranger? Der Deutsche kann es auch, sogar noch besser?«
»Sicher, Kelly, aber das ist das Unerklärliche – er macht keinen Gebrauch davon.«
Kelly pfiff durch die Zähne.
»Ich sehe da eine neue Möglichkeit: Wenn Bigot versagt, könnten wir uns vielleicht mit Eisenlohr in Verbindung setzen.«
»Ich sage Ihnen vorher, Kelly, er wird es ablehnen.«
»Abwarten, mein Lieber! Das wird sich später finden. Erst muß ich einmal feststellen, was Monsieur Bigot treibt.« Kelly sah auf sein Chronometer. »Um drei Uhr bin ich bei meinem Zahnarzt angesagt. Noch bequem Zeit, um vorher in die Rue St. Antoine zu fahren.«
Er stand auf und griff nach Stock und Hut.
Auf gut
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