Lebensstrahlen
Monsieur Bigot?« fragte Hartford zurück. Vergeblich wartete er auf eine Antwort. »Vergessen Sie nicht, Bigot, daß wir auf Gedeih und Verderb verbunden sind.
Wenn Sie etwa glauben, mich jetzt einfach beiseite werfen zu können, so wäre das ein folgenschwerer Irrtum von Ihrer Seite.«
»Aber nein, Hartford«, die Stimme Bigots klang gequält,
»ich denke gar nicht daran. Ich weiß, was ich Ihnen schuldig bin …«
»Alles sind Sie mir schuldig, Bigot! Sie wissen, daß ich Sie in der Hand habe!«
»Sie brauchen mir nicht zu drohen.« Müde ließ sich Bigot in einen Sessel fallen. »Sagen Sie mir, was soll ich tun?«
»Sie müssen es der Abwechslung halber mal mit der ehrlichen Tour versuchen, Bigot. Wir können jetzt wirklich Gold machen. Also werden wir es machen und verkaufen, bis wir die Summe zusammenhaben, die wir vorerst brauchen. Es wird eine langweilige Sache sein, bis wir die ersten zwanzigtausend zusammen haben. Dann muß sofort eine neue Kältemaschine hierher. Der Rest wird dann schneller gehen.«
»Sind Sie toll geworden, Hartford? Hunderttausend Dollar – einige siebzig Kilogramm gediegenes Gold würde das heißen.
Nur milligrammweise haben wir es bisher erzeugen können …«
»Mit Ihren Schwindelversuchen!« fiel ihm Hartford barsch ins Wort. »Mit der deutschen Apparatur wird es besser gehen.
Ich halte es nicht einmal für ausgeschlossen, daß wir dauernd Geschmack an der Sache gewinnen und überhaupt für eigene Rechnung fabrizieren …«
»Sie sind übergeschnappt!« entrüstete sich Bigot von neuem.
»Selbst wenn wir Gold hätten, könnten wir es nicht absetzen.
Der Handel mit Gold ist in Frankreich Staatsmonopol. Bei dem ersten Versuch, auch nur ein Kilo zu verkaufen, würde man uns festnehmen.«
Hartford lachte aus vollem Halse. »Wissen Sie wirklich noch nicht, daß der illegale Handel da am üppigsten blüht, wo der legale eingeschränkt wird? Halten Sie mich etwa für so naiv, daß ich mit unseren Barren zur Bank von Frankreich gehen werde? Nein, mein Teurer, es gibt andere, bessere Wege. Die Hauptsache ist, daß wir das Gold erst einmal machen. Den Absatz lassen Sie meine Sorge sein.«
Im Laboratorium der Eulenburg arbeiteten Professor Braun und Holthoff programmäßig weiter.
Dr. Bruck benutzte die unfreiwillige Muße, um sich in seinem Arbeitszimmer mit theoretischen Berechnungen zu beschäftigen. Jener zweifelhafte Handel mit Bigot nahm ihn doch stärker mit, als er es selber für möglich gehalten hätte. Bei den gemeinsamen Mahlzeiten vermied er es, Eisenlohr oder Holthoff in die Augen zu sehen.
Eisenlohr hatte noch an dem gleichen Tage, an dem er die erste bestrahlte Gelatine in den kleinen Burgteich schüttete, ein paar Telegramme nach Frankfurt am Main abgehen lassen. Als Antwort kamen schon in den nächsten Tagen mehrere Frachtstücke auf der Eulenburg an. Gemeinsam mit Michelmann machte er sich daran, sie in seinem eigenen Arbeitszimmer auszupacken. Die drei Kisten enthielten eine neue Strahlröhre, Transformator, sowie Schalt- und Meßgeräte.
*
Dr. Bruck fuhr zusammen, als es klopfte und die Tür seines Zimmers geöffnet wurde. Er wollte den Block, auf dem er gerechnet hatte, beiseiteschieben, aber es war zu spät dazu. Eisenlohr stand bereits neben ihm und überflog die Formeln, die auf dem Papier standen.
»Ich habe die unfreiwillige Arbeitspause dazu benutzt, Herr Eisenlohr«, begann Bruck unsicher, »mich theoretisch mit einem Problem zu beschäftigen, das …«
»… Ihnen mehr am Herzen zu liegen scheint als unsere anderen Arbeiten, Doktor Bruck. So, wie Sie es hier angegriffen haben, werden Sie es aber nicht lösen.«
Eisenlohr deutete auf eine Stelle in den Aufzeichnungen Brucks. Eine wissenschaftliche Diskussion entspann sich zwischen den beiden Männern, bis Bruck plötzlich den Bleistift fallen ließ und sein Gesicht in die Hände stützte.
»Sie haben recht, Herr Eisenlohr, so geht es in der Tat nicht.
Jetzt sehe ich den Fehler selber.«
Eisenlohr schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter. »Gut, daß Sie es endlich einsehen, Bruck. Werfen Sie den Formelkram in den Papierkorb und kommen Sie mit ins Freie! Frische Luft wird Ihnen nach dem Stubenhocken nichts schaden.«
Bruck stand auf und folgte Eisenlohr in den Vorraum. Als Eisenlohr einen Schrank aufschloß und einen blauen Leinenkittel herausnahm, stutzte er.
»Was haben Sie vor, Herr Eisenlohr?«
»Wollen ein bißchen Monteur spielen, Bruck.« Eisenlohr zog seinen Rock aus und
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