Lebensstrahlen
sich. »Ich bin erfreut, daß ich Ihnen nützlich sein konnte, Herr Doktor«, sagte er, um Zeit zu gewinnen, während er sich hastig die Mitteilungen, die Bruck ihm an diesem Morgen in Ihlefeld gemacht hatte, durch den Kopf gehen ließ.
»Wir trugen uns allerdings auch schon mit dem Gedanken, von Karbiden auszugehen …«, sprach Eisenlohr weiter. Seine Worte brachten Hartford im Augenblick ins Bild.
»Gewiß, Herr Doktor«, sagte er geschmeidig. »Nach dem, was wir über die Vorgeschichte unserer Erde wissen, mußte dieser Gedanke für jeden Wissenschaftler naheliegen. Immerhin mußte die Anregung einmal gegeben werden, aber ich bin weit entfernt, daraus ein besonderes Verdienst für mich zu konstruieren.«
Einen Moment stutzte Eisenlohr. So bescheiden und selbstlos, wie der Professor jetzt sprach, hatte er sich in seinen Briefen an ihn eigentlich nicht ausgedrückt. Nun, das ist höfliche Zurückhaltung, die er sich hier als Gast auferlegt, suchte Eisenlohr es sich zu erklären.
»Sie treffen einen Kollegen bei mir«, fuhr er fort, »Herrn Professor Braun, der Ihnen wohl dem Namen nach bekannt ist.«
Hartford nickte. »Herr Professor Braun genießt bei uns in den Staaten einen vorzüglichen Ruf. Ich bin neugierig, seine persönliche Bekanntschaft zu machen.«
»Dann schlage ich vor, daß wir gemeinsam zu Tisch gehen. Wir werden zu fünft sein. Meinen ersten Assistenten, Herrn Doktor Bruck, kennen Sie bereits. Außer Professor Braun nimmt noch mein zweiter Assistent, Herr Doktor Holthoff, an der Mahlzeit teil. Darf ich Sie bitten, Herr Professor?«
»Mit Vergnügen!«
Die Vorstellung im Speisesaal ging schnell vonstatten. »Eine kleine Überraschung, Herr Braun. Wir haben unvermutet noch einen Gast bekommen, Herrn Hartford aus Schenektady«, führte Eisenlohr den Amerikaner ein.
Professor Braun quittierte mit einer kurzen Verbeugung und ließ sich auf seinem Stuhl nieder. Während er seine Serviette entfaltete, musterte er Hartford durch seine scharfe Brille eingehend.
»Sie tragen heute kein Glas, Herr Hartford?« fragte Braun unvermittelt.
Dem Amerikaner fuhr bei diesen Worten ein schwerer Schreck durch die Glieder. Wenn dieser deutsche Professor durch einen verwünschten Zufall seinen früheren Chef James Hartford persönlich kannte, dann mußte die nächste Sekunde unabwendbar die Katastrophe bringen.
Dieser Mr. Braun wußte also jedenfalls, daß sein Kollege aus Schenektady ein Glas trug. Auch Percy Hartford war diese Tatsache bekannt, und obwohl seine Sehschärfe vorzüglich war, hatte er sich in Paris aus einer gewissen Vorsicht heraus eine Brille verschafft.
»Mein Arzt riet mir, die Gläser nicht ständig zu tragen«, sagte er zu Braun, während er die Brille zur Hälfte aus der Brusttasche zog und mit einer lässigen Bewegung wieder zurückschob.
»Sie Glücklicher!« meinte Braun und wandte seine Aufmerksamkeit dem Essen zu.
Nun begann Eisenlohr von seinen letzten Arbeiten zu sprechen. Professor Braun griff das Thema sofort auf, und Hartford griff hier und da mit Zwischenbemerkungen ein, in denen er geschickt alles das anbrachte, was er am Morgen von Bruck erfahren hatte. Durch seine Art machte er sich schnell bei Braun beliebt.
Einen wenig umgänglichen Kollegen hatte Braun zu treffen erwartet, und er fand zu seiner Überraschung einen liebenswürdigen Plauderer.
Mit stillem Vergnügen beobachtete Eisenlohr die Entwicklung.
Mit Befriedigung mußte er auch feststellen, daß die Ansichten Hartfords sich fast vollständig mit seinen eigenen deckten.
Genau die gleichen Karbide, von denen er selbst bei seinen letzten Arbeiten ausgegangen war, führte auch Hartford als die für diesen Zweck geeignetsten an, und da Eisenlohr die etwas trübe Quelle, aus welcher der Amerikaner sein Wissen geschöpft hatte, nicht kannte, erblickte er in solcher Übereinstimmung eine erfreuliche Bestätigung seiner eigenen Anschauungen durch einen anderen Wissenschaftler.
Schließlich versuchte Hartford das Gespräch unauffällig auf das Thema zu bringen, das ihm am meisten am Herzen lag, auf die Metallumwandlung.
Als Bruck es merkte, versuchte er ihn dabei zu unterstützen.
Ein paarmal überhörte Eisenlohr die Manöver Hartfords geflissentlich; als er jedoch nicht davon abließ, entschloß er sich, deutlicher zu werden.
»Die Untersuchungen, von denen Sie eben sprechen, Herr Kollege, sind zweifelsohne theoretisch recht interessant«, fing er an. »Aber das praktische Interesse, das Sie ihnen noch
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