lebt gefaehrlich
ebenfalls tot?« hatte er sich mit professionellem Interesse erkundigt -, verkündete Sandor, daß er nun schlafen wolle. Später wollte er Colin am Lenkrad ablösen. »Aber trotzdem merke ich sofort, wenn Sie anhalten«, sagte er und zog einen geladenen Revolver aus der Hosentasche. »Ich schlafe auf dem Boden. Wenn Sie Dummheiten machen, schieße ich.«
»Warum haben Sie uns die Waffe nicht gleich gezeigt?« fragte Mrs. Pollifax neugierig.
Er warf ihr nur einen vernichtenden Blick zu. »Los, fahren Sie!«
Damit legte er sich auf den Fußboden des Wagens, rollte sich zusammen und begann zu schnarchen.
Ausgerechnet jetzt, da ihnen etwas Licht willkommen gewesen wäre, versteckte sich der Mond vollends hinter den Wolken. Außerdem war die Straße nach Izmit zu Mrs. Pollifax' Leidwesen ziemlich holprig.
Zuerst begeisterte sie sich an den Lichtern der Bucht von Kadiköy, und später gab es von Zeit zu Zeit tröstliche Ausblicke aufs Marmarameer, aber bald begann es zu nieseln. Wie ein feiner Schleier hing der Regen über der Landschaft und raubte ihnen jede Sicht. Seit ihrer Ankunft in Istanbul hatte Mrs. Pollifax weder geschlafen, noch etwas Vernünftiges gegessen. Jetzt machte sich dieser Mangel bemerkbar. Die Limonade und die Weintrauben hatten ihr bloß Appetit auf ein Abendessen gemacht, das unbarmherzig aus ihrer Reichweite rückte. Auch ihre illegale Situation bedrückte sie. Sie, die ihr Leben lang nicht das kleinste Strafmandat wegen falschen Parkens bekommen hatte, war in diesem angeblich so gastfreundlichen Land der Polizei verdächtig. Vielleicht suchte man bereits im ganzen Land nach ihr. Sie war mit Henry in der Türkei gelandet, und Henry war tot. Es gab niemand, an den sie sich wenden konnte.
An Dr. Belleaux schon gar nicht. Ihre Gefährten in diesem Exil waren ein junger englischer Eigenbrötler und ein skrupelloser Erpresser, den sie auf dem Friedhof aufgelesen hatten.
Vielleicht bin ich zu anpassungsfähig, dachte sie und wandte den Kopf Colin zu. Mrs. Pollifax war nicht dumm. Bei ihrem Auftrag stand viel auf dem Spiel, und es gab zahlreiche Gegenströmungen, von denen sie vermutlich nie etwas erfahren würde. Vielleicht war es gar kein Zufall gewesen, daß Mia Ramsey im Flugzeug neben ihr gesessen und ihr scheinbar spontan vorgeschlagen hatte, Colin aufzusuchen. Aber andererseits stand durchaus nicht fest, daß Mrs. Pollifax sich wirklich mit Colin in Verbindung setzen würde. Und mehrere Stunden später war es Colin gewesen, der Magda vor der Polizei versteckt hatte. Falls er zu einem weitgespannten, undurchsichtigen Agentennetz gehörte, dann hätte er sie kaum angerufen und die Nachricht hinterlassen, sie solle ihre verschwundene Freundin bei ihm abholen. Statt dessen wäre Magda unwiederbringlich verschollen gewesen. Nein, Colin mußte sie als unerwartetes Geschenk des Himmels betrachten.
Im Scheinwerferlicht des Lastwagens wurden hübsche kleine Villen und fremdartige Ortsnamen sichtbar: Kiziltoprak, Goztepe, Cadebostani, Erenekoy, Suadiye, Bostanci. Bei einer Stadt namens Maltepe führte die Straße wieder ans Meer und verlief längs der Küste bis zum Hafen Kartal. Damit Colin nicht einschlief, las Mrs. Pollifax die Straßennamen aus ihrem kleinen Reiseführer vor, den sie in London gekauft hatte. Als das langweilig wurde, ging sie zu kurzen, historischen Abschnitten über das Reich der Ottomanen über, bis Colin gereizt sagte, Sandors Schnarchen sei immer noch interessanter als dieser Geschichtsunterricht. Dann überlegten sie, ob sie hinter Izmit über Bolu oder Beyzapari nach Ankara fahren sollten.
»Welches ist die Hauptstrecke?« fragte sie.
»Bolu. Die Straße ist ausgezeichnet.«
»Dann sollten wir vermutlich über Beyzapari fahren.«
Um halb drei Uhr langten sie in Izmit an, ohne sich über die weitere Route geeinigt zu haben. Sie überquerten die Bahn. Im Osten färbte sich der Horizont bereits rötlich. Da sagte Colin: »Also gut – Beyzapari.
Es wäre natürlich bestechend, auf dem kürzesten Weg nach Ankara zu gelangen. Schließlich sind es 292 Meilen, und wir fahren nicht mehr als sechzig. Wenn es allerdings bereits dämmert und die Polizei nach unserem Wagen sucht, dann kommen wir über Bolu am Ende überhaupt nie nach Ankara. Wie denken Sie darüber? Sie sind doch eine erfahrene Geheimagentin.«
»Das bin ich nicht«, entgegnete Mrs. Pollifax gekränkt. »Ich bin ein Kurier. Und nach dem Zwischenfall mit Dr. Belleaux mache ich mich jetzt auf alles gefaßt.«
»Dann haben Sie
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