Lee, Julianne
huschte über Leahs Gesicht. »Bestimmt.« Vater war in der Nähe, und sie würde sich in der Tat über seinen Besuch sehr freuen. Sie hatte ihn schon so lange nicht mehr gesehen. Ihr Herz pochte vor freudiger Erregung wie damals, als sie ein kleines Mädchen gewesen war und Mutter ihr seinen Besuch angekündigt hatte. Er hatte ihr immer ein schönes Geschenk mitgebracht, und auch wenn das diesmal nicht der Fall sein würde, so freute sie sich doch darauf, mit ihm reden zu können.
Den ganzen nächsten Tag wartete sie ungeduldig auf ihn. Sie nähte, las ein wenig, nähte wieder, dabei blickte sie ständig aus dem Fenster und hielt nach einer roten Uniform Ausschau, die jeden Augenblick auf dem Marktplatz auftauchen konnte. Aber die Zeit verstrich, und die Sonne ging allmählich unter, ohne dass sich ihr Vater blicken ließ. Ihre Hoffnung schwand. Cumberland musste nach Inverness marschiert sein. Ihr Entschluss stand fest. Sie würde gleichfalls dorthin gehen, sie musste Ciaran finden, bevor er der britischen Armee in die Hände fiel.
Man schrieb den fünfzehnten April, es war der Geburtstag des Herzogs von Cumberland und somit der Tag vor der entscheidenden Schlacht, die Dylan Dubh zufolge diesen Krieg und vielleicht auch Ciarans Leben beenden würde. Ciarans Magen zog sich vor Hunger schmerzhaft zusammen. Seit gestern jedem Mann eine einzige Zwiebel zugeteilt worden war hatte keiner mehr einen Bissen gegessen. Seit zwei Wochen wurde auch kein Sold mehr ausgezahlt. Die Männer mussten tief ins Innere des ausgeplünderten
Landes vordringen, um noch Nahrungsmittel zu finden. Auch der größte Teil von Ciarans Männern war unterwegs und suchte nach Proviant.
Die Truppen warteten auf Cumberlands Armee. Den Berichten der Männer zufolge, die aus Nairn geflohen waren, sollten die Rotröcke ihnen zahlenmäßig weit überlegen sein. Sie waren gut genährt und ausgezeichnet ausgerüstet. Ciaran begriff jetzt ganz genau, was bei Drummossie Moor geschehen würde und warum. Aber er konnte nichts dagegen tun. Er hatte nie die Möglichkeit gehabt, das Kommende zu verhindern. Seufzend ließ er sich auf einem großen Stein nieder, legte die Muskete über seine Knie und senkte den Kopf.
Plötzlich hörte er Sinanns Stimme. »Hättest du gern etwas Brot und Käse, mein Freund?«
Ciaran blickte auf. »Ja, für die ganze Armee, wenn es geht.«
»Das bringe ich nicht zu Wege. Meine Macht reicht nicht aus, um alle satt zu bekommen.«
Ein unfrohes Lächeln spielte um seinen Mund. »Keine Speisung der Fünftausend durch das Feenvolk?«
»Ich tue, was ich kann«, erwiderte sie gekränkt. »Wirf mir nicht vor, dass es nicht genug ist. Willst du jetzt den Käse oder nicht?«
Ciaran sah zu seinen Männern hinüber. Nur zwei Drittel seines Trupps waren noch bei ihm - Calum, Seumas Og MacGregor, Eóin, Gregor, Donnchadh und dreizehn andere. Aodán Hewitt und Alasdair MacGregor waren tot, neun weitere hatten sich davongemacht, um auf Nahrungssuche zu gehen. Ciaran hoffte fast, dass sie desertiert waren, er wollte nicht noch mehr von seinen Clansleuten sterben sehen. »Kannst du mir einen Sack Zwiebeln herbeischaffen?«, fragte er die Fee. »Ja, natürlich, aber...«
»Zwiebeln erwecken kein Misstrauen. Wenn ich mit Käse ankäme, würden die anderen denken, ich hätte heimlich Vorräte beiseite geschafft. Gib mir einen Sack Zwiebeln, dann behaupte ich einfach, es wäre die Tagesration für heute.«
Die Fee seufzte. »Aye.« Sie winkte mit der Hand, woraufhin ein grober, randvoll mit Zwiebeln gefüllter Leinensack zu seinen Füßen auftauchte. Ciaran hob ihn auf und ging zu seinen Männern hinüber, um sie zu verteilen.
Als die Dunkelheit hereinbrach, gab Lord George Murray Befehl, auf das Rotrocklager bei Nairn zuzumarschieren. Da der Herzog heute Geburtstag feierte, setzte Murray darauf, den Feind nach einer durchzechten Nacht überrumpeln zu können. Die Jakobiten formierten sich, so gut es ihnen in ihrer jämmerlichen Verfassung möglich war, und brachen auf. Ciarans Mathesons marschierten mit der Atholl-Brigade ganz an der Spitze der Kolonne.
Wolken verdeckten die schmale Mondsichel, sodass die Soldaten kaum die Hand vor Augen sehen konnten. Die Vorhut ließ den Rest der Armee oft so weit hinter sich, dass sie Halt machen und warten mussten, bis die anderen Truppen sie eingeholt hatten. Obwohl das Gelände sehr unwegsam war und die zerschlissenen Schuhe der Männer häufig im Schlamm stecken zu bleiben drohten, erreichte die
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