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Lee, Julianne

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Titel: Lee, Julianne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Schwert der Zeit 04 - Die Erfüllung
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unwirklich.
    Nachdenklich betrachtete er das Bücherregal an der gegenüberliegenden Seite des Raumes. Nun wusste außer ihm kein
    Mensch mehr von dem Geheimgang hinter dem Regal, der zu dem Pfad in der Nähe des alten Turmes führte. Obwohl Pa ihm nie den Sinn und Zweck dieses Ganges erklärt hatte, war dies nicht schwer zu erraten. Nur der amtierende Laird der Burg und sein designierter Nachfolger kannten das Geheimnis. Falls jemand versuchen sollte, dem rechtmäßigen Erben seinen Platz streitig zu machen, konnte er beseitigt und durch den Gang fortgeschafft werden. Der Geheimgang diente dazu, die Erbfolge zu sichern.
    Die Kontobücher, die sein Vater seit dreißig Jahren geführt hatte - schwere, ledergebundene, mit vielen Zahlen und Daten gefüllte Bände kannte er in- und auswendig. Es gab auch noch ältere Bücher, die von Dylan Dubhs Vorgängern stammten, doch die von Ciarans Vater angelegten Bände nahmen bei weitem den meisten Platz ein. Außerdem wurden hier die Tauf-, Heirats- und Sterberegister aufbewahrt, die Pa 1722 aus der Kirche gerettet hatte. Seit der Verhaftung und Deportation Vater Turnbulls im Jahre 1719 führte der Laird diese Listen weiter.
    Ciaran nahm an dem schweren Eichenholzschreibtisch Platz und blickte sich im Arbeitszimmer um, während er darüber nachdachte, welche Probleme er in seiner neuen Position als Erstes in Angriff nehmen musste.
    Wenn man es genau bedachte, trat er sein Amt unter den besten Voraussetzungen an. Er wusste alles, was es über die Herstellung und den Verkauf des Whiskys zu wissen gab, und er war über die zahlreichen vergeblichen Versuche seines Vaters, die Brennerei zu legitimisieren, genau informiert. Pa war felsenfest davon überzeugt gewesen, dass die Zukunft des ganzes Tales von der Whiskybrennerei abhing, und Ciaran war in diesem Punkt ganz seiner Meinung.
    Der Whisky aus Glen Ciorram war ein ebenso edles Getränk wie französischer Wein, und im Laufe der Jahre war die Nachfrage danach stark gestiegen. Der Profit aus dem Verkauf des Whiskys würde sich noch erhöhen, wenn die Mathesons die Erlaubnis erhielten, ihre Brennerei legal zu betreiben und das Produkt frei zu verkaufen, denn bei der Herstellung gab es ein Geheimnis, das nur Ciaran und seine Brüder kannten.
    Ihr Whisky war momentan der einzige auf der Welt, der älter als ein paar Wochen war. Jedes Fass wurde drei Jahre oder länger in einem Versteck gelagert und dann als Produkt des laufenden Jahres auf den Markt gebracht. Nur Ciaran, Calum und Robbie wussten davon und kannten das Versteck der Fässer, denn obwohl Dylan Dubh seine Töchter über alles geliebt hatte, wäre er nie bereit gewesen, das Geheimnis mit seinen Schwiegersöhnen zu teilen. Oder mit seinen Stiefsöhnen.
    Das Arbeitszimmer wirkte sauber und ordentlich, die Bücher standen in Reih und Glied wie englische Soldaten, der Kasten neben dem Tintenfass war mit sorgfältig gespitzten Schreibfedern gefüllt, der mehrarmige Leuchter auf dem Schreibtisch mit frischen Kerzen bestückt. An der Wand dahinter hingen der Dolch mit dem silbernen Heft, den sein Vater Brigid genannt hatte, und das Schwert, das einer von Ciarans Vorfahren von König James I. als Geschenk erhalten hatte. Die Waffen waren so angeordnet, dass die Klingen sich kreuzten. An der anderen Wand prangte der Gobelin, der den Großvater väterlicherseits seiner Mutter zeigte, Donnchadh Matheson, der zugleich ein Großonkel von der Seite seines Vaters war. Der hoch gewachsene, rothaarige Laird ritt auf einem Einhorn durch einen dunklen Wald. Eine kleine weiße Fee flog hinter ihm her, in der er das Ebenbild der Erscheinung in der Schlafkammer seines Vaters erkannte. Dieselbe Fee, von der er immer noch hoffte, dass sie ihn nur im Traum heimgesucht hatte. Unruhig ließ er den Blick durch den Raum schweifen und fragte sich, wo das geheimnisvolle Geschöpf wohl stecken mochte.
    Es klopfte an der schweren Tür des Raums, und Robins graubrauner Kopf erschien im Rahmen. »Darf ich mich nach dem Befinden des Lairds erkundigen?«
    Ciarans erster Impuls bestand darin, den alten Mann daran zu erinnern, dass der Laird tot war, was Fragen nach seinem Befin-
    den erübrigte, doch dann ging ihm auf, was Robin meinte. »Komm herein und setz dich. Was kann ich für dich tun?«
    Robin humpelte langsam durch den Raum und ließ sich mühsam auf den rot gepolsterten Stuhl vor dem Schreibtisch sinken. Niemand wusste genau, wie alt er eigentlich war - vermutlich ungefähr ebenso alt wie Dylan Dubh.

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