Lee, Julianne
Jungfrau; er schämte sich sogar, in Gegenwart deiner Mutter sein Hemd auszuziehen, um es in die Wäsche zu geben.«
Ciaran grunzte nur, während er sich seiner Gamaschen, der Schuhe und der Strümpfe entledigte und hoffte, sie würde das leidige Thema fallen lassen. Doch sie fuhr fort: »Ich weiß ja nicht, was für ein Leben er in seiner Zeit geführt hat, aber dort scheinen sich die Leute ganz offensichtlich ihres Körpers zu schämen. Aber hier hat er seine Einstellung schnell geändert. Es dauerte nicht lange, da meditierte er nackt vor dem offenen Feuer.«
»Warum erzählst du mir das alles?« Ciaran zog sich das Hemd über den Kopf und ließ es auf den Kilt fallen, den er über einen Stuhl geworfen hatte. Dann löste er das Band aus seinem Haar und beugte sich über die Waschschüssel. Schon als Kind hatte sein Vater ihn gelehrt, sich jeden Abend vor dem Schlafengehen zu waschen, und nun, da er den Posten des Lairds übernommen hatte, wurde ihm sogar warmes Wasser gebracht. Übertriebene Reinlichkeit hatte gleichfalls zu den Dingen gezählt, die seinen Vater von anderen Menschen unterschieden, aber trotzdem dachte Ciaran gar nicht daran, diese Gewohnheit abzulegen.
»Ohne besonderen Grund«, erwiderte Sinann. »Aber es gibt
vieles, was du über deinen Pa nicht weißt, und vielleicht ist es an der Zeit, dass dich jemand ins Bild setzt.«
Wieder gab Ciaran nur ein unbestimmtes Grunzen von sich während er sich mit einem nassen Leinentuch abrubbelte.
»Du weißt doch, wie sehr dein Vater deine Mutter geliebt hat.«
»Aye.« Seine Finger glitten sacht über den Goldring, den er zusammen mit dem Kruzifix um den Hals trug, dann fuhr er sich durch das Haar.
»Er liebte sie vom ersten Moment an, wo er sie sah. Ich konnte es ihm vom Gesicht ablesen.«
Ciaran schloss die Augen und beschwor das Bild seiner Mutter herauf; die einzige Erinnerung an ihr lachendes Gesicht, die er sich hatte bewahren können. Er wusste nicht mehr, wann und wo er sie so gesehen hatte, aber sie hatte ihn strahlend angelächelt, und ihre blauen Augen hatten vor Freude geleuchtet Für ihn war sie die schönste Frau der Welt gewesen. »Ja, ich weiß.«
»Er wurde einmal so schwer verletzt, dass der Tod für ihn eine Erlösung gewesen wäre, aber nur ihretwegen hielt er eisern am Leben fest.«
Ciaran nickte. Er hatte die Geschichte von der Verhaftung seines Vaters oft gehört. Man hatte ihn nach Fort William geschafft und dort fast zu Tode gepeitscht.
Plötzlich änderte die Fee das Thema. »Hast du dir heute Abend die Tochter des Captains einmal genauer angeschaut?«
Ciaran richtete sich auf und blinzelte zu ihr hinauf. Im Dämmerlicht konnte er nur ihre Umrisse auf der Vorhangstange über dem Bett erkennen. Er erschauerte, als ihm kaltes Wasser an den Beinen entlang rann. »Sie ist eine dumme Gans, weiter nichts.«
»Du musst es ja wissen, du kennst sie ja so gut.«
Ciaran beendete seine abendliche Waschung damit, dass er seine Füße gründlich säuberte, dann rieb er sich mit einem trockenen Tuch ab. »Alle Engländerinnen sind hohlköpfige, eitle, nutzlose Gänse.«
»Wie kannst du das denn beurteilen? Du hast ja kaum je eine zu Gesicht bekommen!«
Ciaran runzelte die Stirn. Widerwillig musste er ihr Recht geben. Er hatte bislang nur mit sehr wenigen Frauen aus England zu tun gehabt und keine von ihnen näher kennen gelernt. Doch er zuckte nur die Schultern und griff nach seinem Rosenkranz, der auf dem Tisch am Fenster lag. »Wenn du mich jetzt entschuldigen wurdest, Fee - ich möchte gerne beten.« Er kniete vor dem Bett nieder und stützte die Ellbogen auf den Rand der Matratze. Die Elfenbeinperlen schmiegten sich glatt und vertraut in seine Handfläche. Er hatte den Rosenkranz zu seinem neunten Geburtstag bekommen und seitdem jeden Abend damit gebetet Nach einem tiefen Atemzug bekreuzigte er sich und begann: »In nomine Patri, et Filii, et Spiritus Sancti...«
»Vielleicht interessiert es dich, dass die junge Dame dich heute Abend von der Brustwehr aus beobachtet hat, mein Freund.«
Ciaran stutzte und blickte auf. »Sie hat mich beobachtet? Warum?«
»Dein Trainingsprogramm schien ihr zu gefallen. Sie konnte den Blick gar nicht von dir losreißen.«
Ciaran schnaubte verächtlich, konnte jedoch ein leises Lächeln nicht unterdrücken. »Och, wirklich?«
»Wenn ich es dir doch sage.«
Die Fee beließ es dabei und verstummte. Doch während Ciaran weiterbetete, spukte immer wieder das unerwünschte Bild der durch und
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