Lee, Julianne
Bruder«, befahl Ciaran scharf.
Calum gehorchte. Das Breitschwert fiel zu Boden.
Dann wandte sich Ciaran an seine Männer. »Bringt ihn ins Torhaus.«
Sein Bruder wurde bleich, und obgleich er nichts mehr sagte,
blickte er Ciaran flehend an, als er abgeführt wurde. Ciaran schob Brigid in die Scheide zurück. Die Dorfbewohner zerstreuten sich. Die Burgwächter hoben die am Boden liegenden Waffen auf und traten dann den Rückweg zur Burg an. Ciaran blieb, wo er war. Er wollte jetzt nicht in der Nähe seines Bruders sein.
Sìle, Kirstie, Mary und Robbie warteten mit ihm. In ihren Augen las er, dass die ganze Geschichte sie ebenso entsetzte wie ihn selbst. Robin stützte sich schwer auf seinen Stab.
Ciaran blickte ihn an. Nur zu gerne hätte er ihn über seine Mutter und Connor Ramsay ausgefragt, brachte aber nicht den Mut dazu auf. Was, wenn Robin die Wahrheit beschönigt hatte? Wenn Ciarans Ähnlichkeit mit Dylan Dubh nur auf einer gewissen Ähnlichkeit zwischen Dylan und Ramsay beruhte? Das könnte er nicht ertragen. Besser, er ließ die Geschichte so stehen, wie sie war.
Ciarans Geschwister begleiteten ihn zur Burg zurück, und Sìle nahm seine Hand in die ihre. Doch hinter ihnen auf dem Pfad sah er plötzlich Leah stehen. Sie hatte alles mit angehört, und seine Scham wuchs ins Unermessliche.
7. KAPITEL
Eine silberne Brosche in Form eines Zweihänders hielt den Stoff an der Seite zusammen.
An diesem Abend mied Ciaran sowohl Robins als auch Eóins Gesellschaft. Er aß allein in seiner Kammer und schlich sich dann unbemerkt aus der Burg, weil er in Ruhe nachdenken wollte. Die Sonne würde erst in einigen Stunden untergehen, also schlug er den Pfad ein, der durch die bewaldeten Hügel im Norden des Tales führte. Eine Weile folgte er dem Bach, der zum See hinunter, plätscherte, dann stieg er zu dem alten broch empor, der in einer Senke zwischen zwei Hügeln stand.
Die meisten Clansleute wagten sich nicht zu den grauen Steinruinen dieses unvorstellbar alten Turms hinauf, weil hier angeblich Feen hausten. Aber seit Ciaran sich mit einer von den Kleinen Leuten angefreundet hatte, fürchtete er das Feenvolk nicht mehr. Er brauchte Zeit, um nachzudenken, und der alte Turm war lange Zeit der Lieblingsplatz seines Vaters gewesen, wenn er mit sich und seinen Gedanken allein sein wollte.
Bei der Erinnerung an Dylan Dubh durchzuckte Ciaran ein scharfer Schmerz. Der Vater war immer der Mittelpunkt seines Lebens gewesen. Dylan Dubh hatte ihn dazu erzogen, den Clan zu führen, und Ciaran war fest davon überzeugt, dass es seine Lebensaufgabe war, das Werk seines Vaters fortzusetzen. Jetzt fürchtete er, nicht dazu in der Lage zu sein. Nicht, wenn ihm der Anspruch auf den Titel auch weiterhin streitig gemacht wurde.
Hier beim broch hatte er Ruhe zum Nachdenken. Vor den verfallenen Mauern wuchs eine riesige Eiche, deren Zweige durch ein Fenster ragten und im Inneren einen Schatten spendenden Baldachin bildeten. Steinerne Stufen verliefen innen an der Mauer entlang, herausgebrochene Steine lagen überall herum.
Ciaran hatte das Innere des Turmes noch nie betreten, er war genauso wenig erpicht darauf gewesen, Feen und Geistern zu begegnen, wie alle anderen auch. Auf so manchem céilidh hatte er gehört, der Boden sei vom Blut eines alten Matheson-Kriegers rot verfärbt, und so war er enttäuscht, das Gras so grün und saftig wie auf den Weiden des Tals vorzufinden. Schwarze Pilze wuchsen dazwischen, wie man sie an allen schattigen Plätzen fand. Seufzend ließ er sich auf dem Boden nieder, lehnte sich mit dem Rücken an einen Steinblock und genoss die wärmenden Strahlen der langsam untergehenden Sonne, während er versuchte, sich zu entspannen und wieder klare Gedanken zu fassen.
Müßig stocherte er im Gras herum und fragte sich, woher die
Geschichte von dem blutgetränkten Erdreich wohl stammte... und da sah er es. Die Wurzeln der Grashalme sowie der Boden, in dem sie wuchsen, schimmerten leuchtend rot Ciaran grunzte überrascht und pflückte einen Halm ab, um ihn genauer zu untersuchen. Die Farbe veränderte sich von oben nach unten, von Grün zu Braun und Rot, als sei sie vom roten Untergrund in den grünen Halm gestiegen. Er schnüffelte daran. Grasgeruch stieg ihm in die Nase. Dann biss er in die rote Wurzel. Sofort füllte ein metallischer Blutgeschmack seinen Mund. Er spie aus und ließ den Halm fallen. Die Geschichte entsprach also ganz offen-sichtlich der Wahrheit. Wieder lehnte er sich mit dem Rücken
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