Lee, Sharon & Miller, Steve - Liaden 1 - Eine Frage der Ehre V2
Recht, ich geb’s ja zu«, antwortete Priscilla.
»Und ich kann mir genauso wenig vorstellen wie Sie, aus welchem Grund man mich so behandelt hat. Vielleicht hegte der Zweite Maat irgendeinen Groll gegen mich – aber nichts so Schwerwiegendes, dass sie sich dazu hätte hinreißen lassen, mir eins über den Schädel zu geben.« Das konnte nur bedeuten, kam ihr plötzlich die Erleuchtung, dass der Händler es angeordnet hatte. Es erschien ihr als die wahrscheinlichste Erklärung. Von sich aus hätte Dagmar sie nicht angegriffen und dann eingesperrt – sie musste auf Befehl gehandelt haben. Es wäre eher ihr Stil gewesen, Priscilla zu vergewaltigen, um ihr eins auszuwischen, hätte sie sich von ihr beleidigt, übergangen oder sonstwie verprellt gefühlt. Doch wenn der Händler dem Zweiten Maat befohlen hatte, sie auf diesem Hinterwäldler-Planeten auszusetzen, bedeutete das …
Meister Farleys Stuhl knarrte, als er seine Haltung verändert. »Nun ja, Mädchen, ich denke, dabei sollten wir es dann belassen. Was passiert ist, ist halt passiert. Schließlich haben Sie ja keinen Schaden angerichtet – oder, Liam?«
»Nicht, dass ich wüsste, Sir«, pflichtete der Lagerarbeiter seinem Boss mit einem Anflug von Bedauern bei. »Jedenfalls ist mir bis jetzt nichts aufgefallen.«
Der Hafenmeister nickte. »Dann wäre es wohl das Vernünftigste, wenn ich Ihnen Ihre Ausweise zurückgebe und Sie wegschicke.«
Priscilla starrte ihn an. »Sie wollen mich wegschicken?«, wiederholte sie fassungslos. »Wohin soll ich denn gehen? Ich bin hier gestrandet! Ich habe kein Geld. Ich kenne hier niemanden.« Der Händler hatte angeordnet, sie zurückzulassen. Das hieß, ihre Vermutung war korrekt – die Daxflan transportierte illegale Drogen in ungeheuren Mengen. Irgendwie war er an ihre Daten gelangt, die sie unter ihrem persönlichen Kode gespeichert hatte. Er hatte die Datei entdeckt, sie entschlüsselt und bemerkt, dass sie ihm auf die Schliche gekommen war.
Als Konsequenz sorgte er dafür, dass sie ihm nicht mehr gefährlich werden konnte.
»Am Besten, Sie wenden sich an die Botschaft«, schlug Meister Farley freundlich vor. »Vielleicht sieht man dort eine Möglichkeit, Sie nach Hause zu schicken.«
Nach Hause? »Nein«, erwiderte sie, und plötzlich fiel ihr das Atmen schwer. »Das geht nicht. Ich muss weiter nach Arsdred.« Das war der nächste Anlaufhafen der Daxflan. Und was mache ich, wenn ich dort bin?, fragte sie sich, während sie sich über ihre eigene Unerschrockenheit wunderte. Doch fürs Erste schob sie diese Überlegungen beiseite. Sie musste einen Schritt nach dem anderen unternehmen.
»Nach Arsdred«, wiederholte sie resolut. »Ich muss unbedingt dorthin.«
Der Hafenmeister setzte eine skeptische Miene auf. »Na ja, wenn das so ist, dann ist es halt so. Allerdings habe ich keinen blassen Schimmer, wie Sie das bewerkstelligen wollen. Vorhin sagten Sie doch, Sie hätten kein Geld …«
»Dieses Schiff, das sich gerade im Orbit befindet, die Dutiful Passage. Ist es ein Handelsschiff?«
Farley nickte und blinzelte verdutzt.
»Gut.« Sie atmete tief durch und zwang sich, trotz der bohrenden Kopfschmerzen logisch zu denken. »Meister Farley, ich weiß, dass Sie mir nichts schuldig sind. Aber ich möchte mich um einen Posten auf der Dutiful Passage bewerben. Möchten Sie mir dabei helfen?«
»Wenn Sie um Arbeit ersuchen, bin ich nicht der richtige Ansprechpartner, Mädchen. Sie müssen sich an den Agenten wenden, Mr. Saunderson.« Er warf sich ein wenig in die Brust. »Die Dutiful Passage läuft uns regelmäßig alle drei Jahre an.«
Ein Schiff, das Jankalim zu seinen regulären Anlaufhäfen zählte? Und obendrein noch ein Liadenschiff? Priscilla versuchte, sich Zustände vorzustellen, die schlimmer waren als die Situation auf der Daxflan. Ihre Fantasie streikte, und sie lächelte den Hafenmeister verkniffen an.
»Wie erreiche ich Mr. Saunderson?«
»Sein Büro befindet sich in der Stadt«, sagte Liam, der immer noch hinter ihr stand. »Jeder kann Ihnen den Weg zeigen.«
»Das ist richtig«, stimmte Meister Farley bedächtig zu. Dann richtete er sich aus seiner leicht zusammengesunkenen Haltung auf, drückte das Kreuz durch und reckte seinen Schnauzbart nach vorn. »Aber wenn Sie möchten, können Sie ihn von hier aus anrufen. Benutzen Sie das Kommunikationsgerät.«
Dieses Mal fiel ihr Lächeln echt aus, obwohl es immer noch schmerzte, das Gesicht zu verziehen. »Vielen herzlichen Dank.«
»Schon gut,
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