Lee, Sharon & Miller, Steve - Liaden 1 - Eine Frage der Ehre V2
zuckte die Achseln. »Ich glaube, sie war auf zwei, drei Handelsreisen dabei.«
»Aha!« Taam blieb stehen und fiel buchstäblich über seinen Verwandten her. »Sav Rid, eine Frau, die während der letzten vier Jahre für dich gearbeitet hat, ist tot! Besitzt du nicht einmal den Anstand, zum Polizeiposten zu gehen und ihren Leichnam abzuholen, damit er in aller Würde in ihre Heimat zu ihrer Familie überführt wird, wie es sich gehört?«
Auf Sav Rids jugendlichem Gesicht zeichnete sich aufrichtige Verblüffung ab. »Wie käme ich dazu? Ich bezweifle, dass es überhaupt eine Familie hat. Es war nämlich Terranerin, weißt du«, fühlte er sich bemüßigt, dem eisig schweigenden Delm zu erklären.
»Nicht alle Terraner sind ohne Familie, Sav Rid«, versetzte Taam. In seinen Augen standen Tränen, als eine unverhoffte Anwandlung von Mitleid seine Furcht verdrängte. »Sie sind Menschen, so wie wir.« Immer noch blickte Sav Rid verständnislos drein. Er hob eine Hand und strich leicht über die glatte Wange seines jungen Verwandten. »Und selbst wenn sie keine wären, mein Kind, so sind wir doch welche und müssen uns dementsprechend verhalten. Es ist unsere Bürde und unser Stolz, uns ehrenhaft zu benehmen. Jederzeit.«
»Ja, sicher. Aber eine Terranerin …«
»Ist schon gut, mein Kind. Ich werde mich der Sache annehmen.« Er hängte sich wieder bei Sav Rid ein und setzte seinen Weg fort. »Von Korval höre ich, dass du und der junge Shan versuchen, irgendwelche kindischen Rechnungen zu begleichen. Bist du nicht zu alt für solchen Unfug, Sav Rid?«
Der Arm, an dem er sich festhielt, wurde starr, genauso wie die Gesichtszüge des Getadelten. »Es ist kein Unfug, Delm. Es geht um eine ernste Angelegenheit. Ich will yos’Galan in die Knie zwingen – ihn und seine älteste Schwester! Ja, und den jungen Val Con auch! Wie konnte er es wagen, einen Gast so schäbig zu behandeln? Es war eine ungeheure Beleidigung, mein Delm. Ein Mitglied des Plemia-Clans lässt einen solchen Affront nicht ungestraft durchgehen! Korval wird seine Lektion lernen – und sie niemals wieder vergessen! Was ist so Besonderes an Korval? Chelsa braucht nur den Namen zu hören, und schon erbleicht sie vor Furcht. Diese Sippschaft ist nichts weiter als eine Meute ungezogener Gören! Es steht noch eine Rechnung offen, Delm, und ich werde erst nachgeben, wenn wir quitt sind. Das schwöre ich!«
»So, so«, murmelte Taam bekümmert. Er holte tief Atem. »In diesem Fall dürftest du dich über die andere Nachricht freuen, die ich dir mitzuteilen habe. Korval verlangt ein Treffen vor Zeugen und im Beisein der Hafenmeisterin, um einen Ausgleich zu erzielen und alle noch offenen Rechnungen zu begleichen. Die Zusammenkunft ist für heute Abend angesetzt, falls du es über dich bringst zu erscheinen.«
»Korval verlangt ein Treffen!« Sav Rid lachte. »Das wundert mich nicht! Natürlich können sie es nicht zulassen, dass ihr dämliches Familienoberhaupt sich selbst ruiniert!« Er zog seinen Arm zurück und verbeugte sich ernst. »Es wird mir eine Freude sein, dich zu diesem Treffen zu begleiten, Delm.«
Sie wachte auf und öffnete die Augen. Der Raum kam ihr vage vertraut vor. Sie befand sich weder in ihrem eigenen Quartier noch in der Gefängniszelle … Krankenstation, fiel ihr wieder ein. Lina hatte dafür gesorgt, dass sie einschlief, und sie sollte erst wach werden, wenn der Heilungsprozess Wirkung zeigte.
Müßig fragte sie sich, wie viele Stunden sie geschlafen haben mochte. Sie streckte und dehnte sich wie eine Katze, bemerkte den Krampf in der rechten Hand, und dass sie mit ihren Fingern immer noch den Daumen umklammerte.
Langsam löste sie den Griff, und der große Amethyst des Meisterrings funkelte in der gedämpften Zimmerbeleuchtung. Priscilla lächelte. Möge die Göttin dich segnen, Geliebter, weil du mich nach Hause gebracht hast.
Abermals reckte sie sich, das Gefühl in vollen Zügen genießend; dann setzte sie sich hin und schlug die dünne Decke zurück. Egal, wie spät es war, sie musste aufstehen; und sie hatte einen Riesenhunger.
Mit einem leisen Zischen öffnete sich die Tür zur Linken. »Guten Morgen, meine Hübsche!« Überrascht sah sie hin und lächelte, als sie den schlaksigen Sanitäter erkannte. »Vilt. Jagst du deinen Patienten immer einen solchen Schrecken ein, wenn sie wach werden?«
»Ergibt doch einen Sinn, oder?«, meinte er, nahm ihren Arm und löste den Gazeverband. »Wenn sie schon einen Herzinfarkt
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