Lee, Sharon & Miller, Steve - Liaden 1 - Eine Frage der Ehre V2
kriegen, dann am besten hier, wo sich jemand um sie kümmern kann.«
»Wer das wohl sein mag«, versetzte sie ironisch, und er lachte. Das entfernte Verbandmaterial legte er zur Seite.
»Mach nur weiter so, hacke ruhig auf mir herum. Aber vergiss nicht, wer hier das Impfprogramm leitet. Der Arm sieht gut aus. Obwohl ich eine so schlimme Verbrennung noch nie zuvor gesehen habe. Auch die Stelle ist merkwürdig – zwischen Handgelenk und Ellenbogen.« Er wiegte den Kopf. »Wie hast du das fertiggebracht?«
Sie blickte ihm in die Augen. »Ich warf einen Feuerball.«
»Wirklich? Dann kannst du froh sein, dass du nicht ein paar Finger verloren hast. Beim nächsten Mal solltest du vorher einen Handschuh anziehen.«
»So die Göttin will, gibt es kein nächstes Mal.«
»Wenn du meinst. Was macht der Hals?«
»Ist wieder in Ordnung.«
In gespieltem Ernst schüttelte Vilt den Kopf. »Und das soll ich dir einfach so glauben? Mund auf, meine Süße – und wage es nicht, mich zu beißen.«
Sie öffnete den Mund. Vilt führte eine gründliche Untersuchung durch, dann stieß er einen Grunzton aus und trat zurück. »Scheint wunderbar zu heilen. Aber ein paar Tage solltest du noch deine Stimme schonen, nur für alle Fälle.«
»Ich überlasse dem Captain das Reden«, schlug sie vor.
Er lachte wieder. »Das wird er gern übernehmen. Ich kenne Shan, seit ich auf diesem Schiff als medizinischer Praktikant diente, und er war damals kaum älter als Gordy. Schon damals hat er fast pausenlos gequasselt. Wahrscheinlich hat er bereits bei seiner Geburt gesprochen. Im Übrigen war seine Mutter eine Linguistin, was vielleicht einiges erklärt. Die Gene, weißt du«, erklärte er gewichtig, als Priscilla kicherte. Er trat zurück und schlug einen nüchternen Ton an.
»Und nun zur Sache, meine Hübsche, pass gut auf. In der Zeit zwischen deinem Urlaubsantritt und deiner Aufnahme in die Krankenstation hast du ein Zehntel deiner Körpermasse verloren. Die Küche hat für dich eine spezielle Kost zubereitet. Du wirst alles verputzen, was auf dem Tablett steht, bis du dein Normalgewicht wieder erreicht hast. Und damit du erst gar nicht auf den Gedanken verfällst zu mogeln, lass dir gesagt sein, dass du vor jeder Arbeitsschicht gewogen wirst.« Er blickte auf seine Uhr. »In drei Minuten bekommst du ein schmackhaftes, kalorienreiches Frühstück. Nachdem du es bis auf den letzten Krümel vertilgt hast, darfst du die Dusche auf der gegenüberliegenden Seite des Korridors benutzen. Lina wird dir frische Sachen zum Anziehen bringen. Noch Fragen?«
»Nein.«
»Hervorragend.« Er klopfte ihr leicht auf die Schulter und grinste. »Bis später.«
»Vilt!«
»Ja?«
»Wie geht es Gordy?«
Vilt schnaubte durch die Nase. »Der Bengel ist schon seit ein paar Stunden putzmunter. Wollte dich unbedingt sehen. Lina hat ihn mit in die Bibliothek genommen, damit er im Streichelzoo hilft. Sie tröstete ihn damit, dass du ihn dort aufsuchen würdest, wenn du wieder wach bist.«
»Ich werde zu ihm gehen.«
»Bevor du überhaupt etwas unternimmst, isst du dein Frühstück. Aha!« Triumphierend trat er zur Seite, damit ein Gehilfe den Servierwagen ans Bett schieben konnte. »Guten Appetit!«
Priscilla trat aus der Dusche, fuhr sich mit den Fingern durch die widerspenstigen Locken und betrachtete stirnrunzelnd ihr Spiegelbild. Ihre Ausbilderinnen hatten immer gefunden, sie sei viel zu schlank; sie befürchteten, ihr Körper – der Moonhawks Seele beherbergte – wäre nicht robust genug, um dem Wirken eines mächtigen Zaubers standzuhalten.
Der Spiegel gab den Ausbilderinnen recht. Sie hatte sieben Kilo abgenommen, konnte ihre Rippen zählen, und die Knochen zeichneten sich unter der Haut ab. Mit einer Hand umfasste sie eine Brust und seufzte. Sie sah aus, als wäre sie halb verhungert. Dann wandte sie sich jählings ab und durchstöberte den Kleiderschrank.
Die neuen Sachen waren überaus schick. Priscilla fragte sich, woher Lina sie hatte, denn sie wirkten nicht wie Konfektionsware von der Stange, sondern handgeschneidert. Staunend faltete sie die Seidenbluse auseinander, bewunderte den breiten Kragen und die weiten, plissierten Ärmel, die an den Handgelenken zu schmalen Rüschenbündchen gerafft waren. Die Farbe war ein reines, glänzendes Rose. Die Hose bestand aus einem dunkelblauen, weichen Stoff. Samt?, überlegte sie und strich leicht mit den Fingern darüber. An den Hüften und Oberschenkeln war die Hose schmal geschnitten, doch vom Knie
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