Lee, Sharon & Miller, Steve - Liaden 1 - Eine Frage der Ehre V2
Frachtmeister gefiel. Endlich konnte es losgehen; die Ventile wurden geschlossen, und allmählich blähte sich der Pavillon auf.
Priscilla stand ein wenig abseits und sah zu, wie sich das zeltartige Gebilde schwankend auftürmte. Sie gewahrte die Spitze einer bronzefarbenen Schwinge auf dem hellgelben Tuch und neigte den Kopf, als begrüße sie einen guten alten Freund.
»Was hat Korval eigentlich zu bedeuten?«, wollte sie wissen. »Ist es der Name des Drachen oder des Baumes?«
»Weder noch«, erklärte der Captain. »Oder beides – wenn man so will. Der Baum heißt Jelaza Kazone und symbolisierte ursprünglich den Torvin-Clan – und innerhalb dieser Sippe die Familie yos’Phelium. Der Name des Drachen lautet Megelaar; er ist das Wappentier des Alkia-Clans – zu dem die Familie yos’Galan gehört. Diese beiden Häuser bilden zusammen den Korval-Clan.«
Ein wenig verwirrt runzelte sie die Stirn. »Zwei Geschlechter haben sich miteinander zu einem einzigen Clan verbunden?«
»Na ja«, erwiderte er lächelnd, »im Grunde blieb ihnen gar keine Wahl. Als das Kolonistenschiff auf Liad landete, war Cantra yos’Phelium das einzige Mitglied ihres Clans, wissen Sie – allerdings war sie zu diesem Zeitpunkt schwanger. Tor An yos’Galan war ebenfalls ganz auf sich allein gestellt. Natürlich trug er kein werdendes Leben in sich, also befand er sich vielleicht in einer noch misslicheren Situation. Sie war Pilotin, er war Kopilot. Nachdem sie endlich eine Welt gefunden und für sich beansprucht hatten – und das Schiff sicher auf dem Planeten gelandet war –, bat sie ihn, ihr Kind großzuziehen, sollte ihr etwas zustoßen. Er erklärte sich dazu bereit, wollte sich von Alkia lossagen und dem Torvin-Clan beitreten. Aber Cantra schien einen Sinn für Fairness zu besitzen; also hörten Alkia und Torvin auf zu existieren, und es entstand der Korval-Clan.« Er zuckte mit den Schultern. »Familiengeschichte. ödes Zeug, aber Sie haben mich danach gefragt.«
»Ja, in der Tat. Demnach wurde Ihr Clan gegründet, als das Schiff auf Liad landete?« Priscilla zog immer noch die Stirn kraus; diese Geschichte schien sich in einer fernen Vergangenheit zugetragen zu haben.
»Wir sind noch ein sehr junges Haus«, räumte er fröhlich ein. »Emporkömmlinge, sozusagen. Es gibt Sippen, die ihren Ursprung bis auf die Alte Welt zurückverfolgen können. Sav Rids Familie zum Beispiel …«
»Captain?«, mischte sich Ken Rik ein, der auf dem Sitz des Transporters Platz genommen hatte. »Ich fahre jetzt zu Thessel und erkundige mich, ob es Neuigkeiten gibt. Oder möchten Sie das an meiner Stelle übernehmen?«
»Oh nein«, wehrte der Captain ab, »ich mache mir lieber die Hände schmutzig und arbeite hier weiter. Fahren Sie nur ruhig zu Thessel. Und bitte, sagen Sie ihr all die Nettigkeiten, auf die sie so viel Wert legt.«
Unverhoffterweise fing Ken Rik an zu grinsen. Der Transporter reihte sich in den Verkehrsfluss ein und entschwand in Richtung Westen.
Der Captain begab sich zu der Palette mit den Proben, fuhrwerkte dort ein Weilchen herum und kam mit einem Werkzeugkoffer zurück.
Dann setzte er sich vor dem sich langsam aufrichtenden Pavillon auf eine Kiste, öffnete den Werkzeugkoffer und inspizierte den Inhalt.
»Zur Zeit bleibt uns nichts anderes übrig, als zu warten, bis der Pavillon steht«, meinte er. »Sie brauchen nicht so lange hier zu bleiben, Ms. Mendoza. Gehen Sie ruhig spazieren und sehen Sie sich in der Gegend um.«
Priscilla zögerte; unerklärlicherweise fühlte sie sich ein wenig pikiert, weil er sie so mir nichts, dir nichts wegschickte. Aber er hockte da, den Kopfüber ein kompliziert aussehendes Werkzeug gebeugt, dessen Mechanismus er offenkundig ausprobierte, deshalb fügte sie sich und schlenderte davon.
Der Ochre-Platz war ein mit hektischer Betriebsamkeit angefüllter Markt im Schatten der Monozug-Station. Das Rumpeln des Schienenverkehrs wurde untermalt von dem unablässigen Gejaule der Kleintransporter. Priscilla beobachtete die Auslagen und Zelte der Händler aus einer Entfernung, die anzeigte, dass sie keine potenzielle Kundin war. Einige Artikel gefielen ihr, und sie bedauerte, dass sie ihr gesamtes Geld verloren hatte. Offenbar hatte Dagmar das Bargeld nicht herausgerückt, das sie aus Priscillas Kabine gestohlen hatte.
Shan befasste sich immer noch mit dem Ausprobieren verschiedener Werkzeuge, als Priscilla langsam zu dem mittlerweile in voller Größe aufgerichteten Pavillon zurückkehrte;
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