Lee, Sharon & Miller, Steve - Liaden 1 - Eine Frage der Ehre V2
Als das Schweigen zu lange andauerte, mischte sich sein Begleiter ein. Mit gekünstelter Freundlichkeit beteuerte er, dass es so etwas wie eine Anklage nicht gäbe.
»Mein verehrter Kollege Relgis hat sich leider versprochen«, wiegelte er ab. »Dem Gericht liegt lediglich eine Meldung vor, in welcher der Verdacht geäußert wird, an Bord befände sich Schmuggelware. Sie werden sicher verstehen, dass wir eine Anzeige dieser Art nicht auf die leichte Schulter nehmen können und der Sache von Amts wegen auf den Grund gehen müssen.«
»Selbstverständlich müssen Sie das.« Shan führte sein Glas an die Lippen. »Vor allen Dingen, wenn es um die Dutiful Passage geht.«
Budoc blickte unbehaglich drein. »Es ist nur natürlich, wenn Sie aufgebracht sind«, fuhr er fort, nachdem er mit seinem Partner einen erschrockenen Blick getauscht hatte. »Immerhin wird Ihrer Crew der Landgang verwehrt, und ein paar Tage lang dürfen Sie Ihre Handelstätigkeit nicht ausüben. Sie verlieren Zeit. Aber wenn sich der Vorwurf als unhaltbar erweist – wovon ich für meine Person absolut überzeugt bin –, ist durch diese Unannehmlichkeit gewiss kein großer Schaden entstanden, oder? Sowie wir mit unseren Ermittlungen fertig sind und Ihre Unschuld feststeht, können Sie Ihren Geschäften ungehindert nachgehen.«
»Aber das Hohe Gericht«, tönte Relgis, dem die konziliante Art seines Kollegen offenkundig nicht passte, »muss ganz sicher sein, ob diese Anschuldigungen auf Wahrheit beruhen oder nicht. Schmuggel ist ein schweres Verbrechen. Man kann nicht vorsichtig genug sein.«
»Ganz meiner Meinung. Gibt es eventuell noch weitere Vorwürfe? Oder wäre das bereits alles?« Abermals brachte Shan mit seinem unverändert freundlichen Ton Relgis aus dem Konzept. Und wieder musste Budoc einspringen. Er räusperte sich vernehmlich und antwortete:
»Außerdem haben wir einen Haftbefehl dabei, ausgestellt auf Priscilla Delacorix y Mendoza, Crewmitglied der Dutiful Passage. Sie soll mithilfe von Tiefensondierung verhört werden und solange in Arrest bleiben, bis über ihr weiteres Schicksal entschieden wird.«
»Was wirft man ihr vor?«, erkundigte sich Shan gelassen, beugte sich vor und setzte sein Glas ab.
»Sie ist des Diebstahls verdächtigt«, warf Regis ein.
»Ach, wirklich?« Shan sah ihn voller Interesse an. »Merkwürdig, auf mich macht sie einen absolut ehrlichen Eindruck. Wer ist der Ankläger?«
»Der ehrenwerte Händler Sav Rid Olanek hat bei Gericht Anzeige gegen sie erstattet, Sir. Sowie die erforderlichen Unterlagen eingereicht sind, entscheidet es sich, ob der Fall von den örtlichen oder den galaktischen Behörden verhandelt wird.«
»Und wenn sie unschuldig ist?«, fragte Shan. In einer unnachahmlich eleganten Bewegung schlug er seine langen Beine übereinander und stützte sein Kinn auf der linken Hand ab. Seine rechte Hand ruhte auf der Schreibtischplatte, direkt neben dem Block aus Eichenholz.
»Wenn sich ihre Unschuld erweist, wird sie selbstverständlich entlassen«, verlautbarte Budoc von oben herab.
»Ihre Freiheit wird ihr unglaublich viel nützen, wenn die Dutiful Passage zwischenzeitlich ihre Reise fortgesetzt hat und sie quasi auf dem Planeten festsitzt«, entgegnete Shan in einem übertrieben höflichen Ton. Abwesend fuhr er mit einem Finger den hölzernen Griff der Axt entlang. »Was soll sie denn von Händler Olanek gestohlen haben? Die Bekleidung, die sie am Leib trug? Als sie auf diesem Schiff anmusterte, hatte sie außer diesen Sachen nämlich nichts bei sich.«
Die beiden Beamten warfen einander seltsame Blicke zu. »Näheres zu dem vorgeblichen Diebstahl steht zweifellos in den …«
»In den Unterlagen, die Händler Olanek dem Hohen Gericht vorlegen wird«, schloss Shan. »Ich verstehe. Darf ich jetzt bitte die Papiere sehen, die Sie bei sich tragen, meine Herren? Offen gestanden fällt es mir äußerst schwer zu glauben, dass Ms. Mendoza eine Diebin sein soll. Und was ihren Abtransport von diesem Schiff und ihre Inhaftierung betrifft … was sagten Sie noch, wie lange es dauern wird, bis die für eine förmliche Anklage erforderlichen Unterlagen eintreffen? Wie dumm von mir, aber das ist mir total entfallen.«
»Wir sagten nichts, diesen Punkt betreffend«, blaffte Relgis. »Aber binnen zehn Tagen müsste der Vorgang abgeschlossen sein.«
»Captain, Sir«, fügte Budoc mit einem warnenden Blick auf seinen Gefährten hinzu.
Relgis setzte eine finstere Miene auf, zog umständlich ein paar
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