Leg dein Herz in meine Haende
Wasser stürzte.
Niemand hatte ihn gesehen, dessen war er sich ganz sicher, und er bezweifelte, dass jemand die Schüsse gehört hatte. Das Rattern des Zuges war so laut, dass es jedes andere Geräusch erstickte.
Wieder einmal war er nach einem Mord davongekommen. Wilde Erregung wallte in ihm auf, und er begann vor Begeisterung zu keuchen. Einmal glaubte er, aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrzunehmen, aber er konnte sich dessen nicht ganz sicher sein. Aus Vorsicht, damit niemand sein Gesicht sah, wandte er sich ab und schlenderte dann langsam wieder zu Rebeccas Abteil zurück. Der Teppich auf dem Gang hatte Coopers Blut inzwischen aufgesogen und sah so aus, als ob die Flecken schon sehr lange darin wären. Niemand würde merken, wie frisch sie waren, solange er sich nicht auf die Knie niederließ und ihre Feuchtigkeit spürte.
Diesmal vergaß Donald nicht, die Tür zu verriegeln. Rebecca hatte sich noch nicht angezogen. Frische Kleider lagen auf der Bank bereit, und sie stopfte fieberhaft die alten, zerrissenen in ihre Reisetasche. Donald packte sie von hinten, stieß sie gegen die Wand und nahm sie.
Niemand hörte ihre Schreie.
29
Die Trennung konnte nicht länger aufgeschoben werden. Jessica sah aus, als ob es ihr das Herz zerrisse, als sie von Caleb Abschied nahm. Sie vergoss jedoch nicht eine Träne, und auch der Kleine weinte nicht. Ihr Aufbruch beunruhigte ihn nicht, da er inzwischen große Zuneigung zu Josey und Tom gefasst hatte. Ungeduldig zappelte er in Jessicas Armen, als sie ihn zum Abschied küsste. Er winkte ihr nicht einmal zu und schaute ihr auch nicht nach, als sie das Haus verließ. Es war viel aufregender für ihn, Joseys Küchenschränke auszuräumen.
Jessica überraschte Cole. Er wusste, dass sie vor dem Kleinen keine Szene machen würde, hatte aber mit Tränen und Vorwürfen gerechnet, sobald sie im Freien waren. Er hatte sich sogar schon einen kleinen Vortrag für sie zurechtgelegt. »Es ist für alle so am besten«, lautete die Hauptaussage. Aber Jessie sagte nichts, als sie sich vom Haus entfernten. Auch während der weiteren Reise hörte er von ihr keine Klagen, obwohl sie die ganze Zeit sehr ernst und schweigsam blieb.
Sie verdiente eine Belohnung dafür, dass sie sich so gut gehalten hatte. Sie waren den ganzen Tag lang hart geritten und hatten nur zweimal eine kurze Rast gemacht, damit ihre Pferde sich ausruhen konnten. Bei Sonnenuntergang war offensichtlich, dass Jessie körperlich und seelisch am Ende ihrer Kräfte angelangt war.
Als es langsam dunkel wurde, lenkte Cole sein Pferd neben ihres und machte sich im Stillen Vorwürfe, ihr so viel abverlangt zu haben. Sie war keine erfahrene Reiterin, und der lange Ritt musste überaus anstrengend für sie gewesen sein, aber trotz allem hatte sie sich nicht ein einziges Mal beklagt.
»Wir werden morgen Früh in Edwardsville den Zug neh-
men«, meinte er. »Die Stadt liegt etwa fünf Meilen südlich von hier. Ich bezweifle, dass es dort gute Hotels gibt, aber du wirst wenigstens in einem Bett schlafen können«, erklärte er. »Oder wir machen einen kleinen Umweg und übernachten draußen bei den Wasserfällen.«
»Du hast doch nicht etwa vor, nach Rockford Falls zurückzureiten?«, fragte sie und schüttelte bereits den Kopf.
»Wir sind weit weg von Rockford Falls«, versicherte er ihr. »Der Ort, den ich meine, hat einen kleinen Wasserfall, der sich in einen klaren, blauen See ergießt. Es ist sehr still und friedlich dort.«
»Wie groß ist der Umweg?«, fragte sie müde. Als sie ihr Haar zurückstrich, sah sie den Schmutz an ihren Händen, und ein Bad erschien ihr plötzlich sehr verlockend.
»Etwa eine Meile«, antwortete er. »Wenn wir allerdings hier draußen übernachten, heißt das, dass wir etwas früher aufstehen müssen.«
»Was ist dir lieber?«
Er zog es immer vor, im Freien zu übernachten, fern vom Lärm und vom Verkehr der großen Städte, aber das würde er Jessica nicht sagen. Es war ihre Wahl, nicht seine.
»Was immer du willst, Jessie. Ich bin mit allem einverstanden. «
»Ich würde sehr gern ein Bad nehmen ...«
»Ich bin sicher, dass wir in Edwardsville eine Badewanne für dich finden.«
»Aber ich würde lieber draußen schlafen. Ist es wirklich sehr ruhig und still beim Wasserfall?«
»Ja, das ist es.«
»Dann kann ich dort üben.«
»Üben? Was?«, wunderte er sich.
»Du wirst schon sehen«, meinte sie. »Ich kann es nicht allein. Du musst mir dabei helfen.«
Er zog eine Braue hoch.
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