Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition)
Schultern. »Da sehen Sie es.«
»Wozu brauchen Sie dann ein Phantombild?«
»Um es mit unserer Verbrecherkartei zu vergleichen. Ebenfalls mit Ihrer Hilfe.«
Überrascht starrte ich ihn an. Auf die Idee war ich gar nicht gekommen, und dabei lag sie doch auf der Hand! Wer eine Bank ausraubte, hatte vielleicht schon andere Untaten auf dem Kerbholz. Meist waren solche Verbrechen nur der Höhepunkt in einem meterlangen Vorstrafenregister. Wenn der Mann bereits einschlägig in Erscheinung getreten war, erhöhte sich die Wahrscheinlichkeit, dass er der gesuchte Bankräuber war, um ein Vielfaches. War er dagegen unschuldig, konnte ihm nichts passieren, denn er wäre dann natürlich auch in keiner Kartei. Was für ein genialer Ermittlungsansatz!
Ich konnte meine Bewunderung nicht verhehlen. Dieser Schnüffler war wirklich auf Draht. Ich lächelte ihn unwillkürlich an.
»Ich muss leider noch ein paar Tage im Krankenhaus bleiben«, sagte ich. »Aber sobald sie mich rauslassen, können wir die Sache in Angriff nehmen.«
Er erwiderte mein Lächeln. »Bis dahin möchte ich Sie allerdings dringend darum bitten, weiterhin bei der Version zu bleiben, dass Sie den Mann nicht erkannt haben. Sprechen Sie am besten mit niemandem darüber.« Forschend musterte er mich. »Oder haben Sie bereits mit irgendwem darüber geredet?«
»Nein, mit niemandem.« Entsetzt blickte ich ihn an. »Sie meinen, wenn es durchsickert, dass man vermutet … Und falls es wirklich derselbe Kerl war …« Ich stockte, es wollte mir kaum über die Lippen. »Könnte er versuchen, mich doch noch kaltzumachen?«
»Nicht, solange darüber nach außen hin absolutes Stillschweigen bewahrt wird«, versetzte Tobias Anders. »Nach derzeitigem Informationsstand muss er davon ausgehen, dass niemand Verdacht geschöpft hat. DAS BLATT war hier ausnahmsweise eine große Hilfe.«
Das klang logisch. Leider fand ich es kein bisschen beruhigend.
In der folgenden Nacht schlief ich noch schlechter als in der davor.
*
Am nächsten Morgen kam Berit, sie brachte mir mein Notebook, damit ich mich nicht langweilte. Sie hatte sogar extra einen Prepaid-Stick besorgt, damit ich ins Internet konnte.
»Na, wie fühlst du dich heute? Noch Schmerzen?«
»Kaum noch. Ich kann übermorgen schon heim.«
»So schnell schon? Ist das nicht etwas übereilt?«, entrüstete sich Berit. »Du wärst fast gestorben! Dieser Verbrecher hat versucht, dich umzubringen! «
»Streng genommen habe ich nur eine angeknackste Rippe«, sagte ich. »Sie haben die Kugel rausoperiert, das Loch zusammengeflickt und mir Antibiotika verpasst. Jetzt muss es nur noch richtig heilen. Wenn ich großen Wert darauf legen würde, könnte ich sogar heute oder morgen schon heim. Den Verbandswechsel kann ich auch ambulant machen lassen.«
Berit gab sich nicht so leicht zufrieden. »War eigentlich schon die Polizei bei dir?«
»Ja, gestern, ein Typ von der Kripo.« Ich merkte, wie meine Wangen warm wurden.
Berit blieb es nicht verborgen. »Wie war er so?«
»Nett«, räumte ich ein.
»Oh«, sagte Berit interessiert. »Kommt er noch mal her?«
»Eher nicht. Ich bleibe ja nicht mehr lange.«
»Aber er muss dir noch Fragen stellen, oder?«
»Möglich. Wenn, dann aber auf dem Präsidium.«
»Wow«, sagte sie. »Kann ich da mit?«
»Warum?«
»Um ihn mir anzusehen. Er muss klasse sein. Du bist eben ganz rot geworden.«
»Unsinn«, wehrte ich ab.
»Hm, stimmt, jetzt bist du wieder bleich wie Mozzarella.« Sie musterte mich kritisch. »Du hättest doch den Löscher nehmen sollen.«
»So viele Löscher, wie ich bräuchte, gibt es gar nicht. Ich bin fast fünfundvierzig, da kann man mit Abdeckstift auch nicht mehr viel ausrichten. Schon gar nicht, um gleichaltrige Männer zu beeindrucken. Männer kommen mit Mitte vierzig in den zweiten Frühling, Frauen in die Wechseljahre. Der Mann wird interessant, die Frau alt.«
Berit war beleidigt. »Ich finde nicht, dass wir alt sind.«
»Du bist ja auch ein Jahr jünger als ich. Außerdem wollte der Typ sich nicht mit mir verabreden, sondern nur meine Beobachtungen als Zeugin aufnehmen.« Ich widerstand nur mühsam dem Bedürfnis, ihr in allen Einzelheiten von meinem Gespräch mit Tobias Anders zu erzählen, denn ich musste es ja geheim halten. Berit war wirklich die beste Freundin, die man sich nur vorstellen kann, und im Großen und Ganzen war sie auch sehr verschwiegen, doch wenn sie erfuhr, dass wir möglicherweise Tisch an Tisch mit dem Kerl gesessen hatten, der
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