Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition)
zusammenarbeiten. Wie kann ich auch nur daran denken, nicht auf dieses Licht am Ende des Tunnels zuzugehen? Ich muss zu ihm. Ich muss Day alles erzählen .
Aber eins nach dem anderen. Da ich nun endlich einmal mit Anden allein bin, versuche ich einen Weg zu finden, ihn zu warnen. Es gibt nicht viel, was ich gefahrlos sagen kann. Wenn ich ihm zu viel verrate, tut er vielleicht etwas, das die Patrioten alarmiert. Trotzdem, ich muss es versuchen. Zumindest brauche ich die Sicherheit, dass er mir bedingungslos vertraut. Ich muss auf ihn zählen können, wenn ich den Plan der Patrioten sabotieren will.
»Vertrauen Sie mir?« Diesmal streife ich seine Hand mit meiner.
Anden versteift sich, aber er weicht nicht zurück. Sein Blick studiert mein Gesicht, vielleicht fragt er sich, was wohl in meinem Kopf vorgegangen ist, als ich die Augen geschlossen hatte. »Dieselbe Frage könnte ich Ihnen stellen«, antwortet er, ein zögerliches Lächeln auf den Lippen.
Wir beide wissen, dass unser Gespräch auf verschiedenen Ebenen stattfindet und Bezug auf gemeinsame Geheimnisse nimmt. Ich nicke ihm zu, in der Hoffnung, dass er meine Worte ernst nimmt. »Dann tun Sie, was ich sage, wenn wir Pierra erreichen. Können Sie mir das versprechen? Alles , was ich sage.«
Er legt den Kopf schräg, die Augenbrauen überrascht gehoben, dann zuckt er mit den Schultern und nickt. Er scheint zu begreifen, dass ich ihm etwas mitteilen will, ohne es laut auszusprechen. Wenn die Zeit für den Anschlag der Patrioten gekommen ist, kann ich nur hoffen, dass Anden sich an sein Versprechen erinnert.
DAY
Pascao, ich und die anderen Melder müssen nach dem Überfall auf den Zug einen halben Tag über der Erde ausharren. Wir halten uns in Gassen oder auf verlassenen Dächern versteckt und sind auf der Hut vor den Soldaten, die die Straßen in Bahnhofsnähe durchkämmen. Erst als die Sonne untergeht, bekommen wir endlich die Gelegenheit, einer nach dem anderen in den unterirdischen Bunker der Patrioten zurückzukehren. Weder Pascao noch ich erwähnen den Zwischenfall am Zug. Jordan, die schüchterne Melderin mit den kupferroten Zöpfen, fragt mich gleich zweimal, ob es mir gut geht. Beide Male zucke ich bloß mit den Schultern.
Ob es mir gut geht? Das ist ja wohl der Witz des Jahrhunderts.
Als wir ins Hauptquartier zurückkehren, machen sich dort schon alle für den Aufbruch nach Pierra bereit – einige vernichten Dokumente, während andere sämtliche Daten von den Rechnern löschen. Pascaos Stimme ist eine willkommene Abwechslung.
»Gut gemacht, Day«, sagt er. Er sitzt an einem Tisch an der Rückwand des Bunkers und greift in seine Jacke, in der er Dutzende der gestohlenen Handgranaten aus dem Zug verstaut hat. Vorsichtig packt er sie in eine mit leeren Eierkartons ausgepolsterte Kiste. Dann deutet er auf einen Bildschirm ganz rechts an der Wand, auf dem ein großer Platz in irgendeiner Stadt zu sehen ist. Eine Gruppe von Menschen hat sich dort vor einem Graffiti versammelt. »Guck dir das an.«
Ich lese, was die Leute geschrieben haben. Day lebt! , steht mindestens drei- oder viermal quer über die Seitenwand des Gebäudes gesprüht. Die Zuschauer jubeln – ein paar halten sogar selbst gemachte Schilder hoch, auf denen dasselbe zu lesen ist.
Wenn ich mit meinen Gedanken nicht bei Eden wäre oder bei Junes mysteriösem Zeichen oder bei Tess, wäre ich begeistert über das, was ich bewirkt habe.
»Danke«, antworte ich, vielleicht eine Spur zu scharf. »Scheint, als hätte ihnen unser Auftritt gefallen.«
Pascao summt fröhlich vor sich hin, als habe er meinen Tonfall gar nicht bemerkt. »Geh und sieh mal nach, ob du Jordan helfen kannst.«
Auf dem Weg zur Tür begegnet mir Tess. Neben ihr geht Baxter – ich brauche eine Sekunde, um zu begreifen, dass er versucht, den Arm um ihre Schultern zu legen und ihr etwas ins Ohr zu flüstern. Als Tess mich sieht, schiebt sie ihn beiseite. Ich will gerade etwas zu ihr sagen, da rempelt mich Baxter so hart an, dass ich ein paar Schritte zurücktaumele und mir meine Mütze vom Kopf rutscht. Meine Haare fallen mir ins Gesicht.
Baxter wirft mir ein hämisches Grinsen zu, noch immer verdunkelt der schwarze Farbstreifen einen Teil seines Gesichts. »Mach gefälligst Platz«, schnauzt er. »Glaubst du etwa, du bist alleine hier?«
Ich balle die Fäuste, doch als ich Tess’ aufgerissene Augen sehe, zwinge ich mich zur Ruhe. Er ist harmlos, sage ich mir. »Dann geh mir doch einfach aus dem Weg«, erwidere
Weitere Kostenlose Bücher