Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Legenden d. Albae (epub)

Legenden d. Albae (epub)

Titel: Legenden d. Albae (epub) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
Vom Netzwerk:
rechts, schritt quer über die Empore und hielt auf eine Doppeltür aus Tionium zu, auf welcher der sternenförmige Umriss des Albae-Reichs eingetrieben worden war. Runen mahnten den Besucher, die Augen zu senken, um nicht vom überwältigenden Anblick des geschwisterlichen Herrscherpaares blind oder wahnsinnig zu werden.
    Der Diener verharrte vor der Tür und legte beide Hände auf die Griffe. »Bereit?«
    »Ja.« Sinthoras schlug die Augen nieder. So musste sich Raleeha fühlen, wenn sie vor ihn trat. Nein, nun nicht mehr, denn nachdem er sie bestraft hatte, gab es für sie nichts mehr zu sehen.Lediglich Erinnerungen. Er beglückwünschte sich nochmals zu seinem Einfall, der sie doppelt leiden ließ.
    Leise schleifend öffnete sich der Einlass. Dunkelrotes Licht fiel heraus und legte sich über das Stiefelleder, machte es schwarz. Sinthoras heftete den Blick auf den Gewandsaum des Dieners und folgte ihm; dann und wann sah er verstohlen nach rechts und links.
    Es war ein Saal, durch den er schritt. An den Wänden hingen Bilder aus verwobenem Haar, das wiederum von den verschiedensten ausgemerzten Kreaturen stammte. Niemals mehr ließen sich diese Werke kopieren. Die Kunstfertigkeit fesselte Sinthoras, sodass er unwillkürlich langsamer ging. Abstrakte Muster, voller Leuchtkraft, voller Anziehungskraft und Düsternis. Geschaffen für oder von den Unauslöschlichen?
    Beinahe wäre er gegen den Rücken des Dieners geprallt, der vor einem Sockel stehen blieb. »Ich bringe Euch Sinthoras, den Ihr zu Euch gerufen habt«, meldete er und trat vier Schritte zur Seite.
    Sinthoras sah spitz zulaufende, schlanke Stiefel, die silberne gravierte Beschläge aufwiesen. Auf Höhe der Unterschenkel schwebte purpurfarbener Stoff mit einem handbreiten Saum aus hauchdünn gewalzten Gold- und Vraccasiumstreifen sowie schräg eingesetzten Tioniumeinlagen. Ein Vermögen sondergleichen!
    Es roch nach Weihrauch und nach kostspieligen, duftenden Essenzen, gewonnen aus den Zutaten, die vernichtete Feinde und Wesenheiten ihnen lieferten. Es erinnerte ihn daran, dass nur sein Volk die Zubereitungsriten kannte, um aus stinkendem Gedärm Wohlgerüche zu destillieren, dem die Nasen von menschenartigen Rassen nicht widerstehen konnten. Wenn Albae einen Feind besiegten, wurden aus den Bestandteilen seines Körpers Kunstwerke geschaffen.
    »Da ist er also: Sinthoras«, sagte eine helle, klare Stimme, die einer Albin gehörte. Diese Reinheit! Für diesen Klang würde erauf der Stelle von der tausend Schritt hohen Plattform springen, wenn sie es ihm befehlen würde.
    Er warf sich vor dem Podest nieder, auf dem der Doppelthron stand. »Mein Leben für Euch, Nagsar Inàste und Nagsor Inàste!«, rief er inbrünstig und fühlte eine Woge Stolz in sich aufbranden. Er war ihnen zum Greifen nahe! Allein und zum Greifen nahe!
    »Dein Leben möge unendlich währen, denn wir benötigen einen Alb wie dich, Sinthoras«, sprach nun ein Mann zu ihm, und auch diese Stimme bescherte ihm einen Rausch. Sie redeten zu
ihm
! Eine Gnade, die größer nicht sein könnte! Keine Geste der Demut reichte dafür aus.
    Da vernahm er Schritte hinter sich, zwei Fußpaare, eines davon trug Stiefel. Ein Diener und wer noch? Eifersucht flammte in ihm auf.
    Die Schritte näherten sich dem Thron, dann sagte ein Diener: »Ich bringe Euch Caphalor, den Ihr zu Euch gerufen habt.«
    Das empörte »Nein!«, das in einem wütenden Schrei über seine Lippen fliegen wollte, konnte Sinthoras gerade noch unterdrücken.

III

    Rings um den Krater hatten sich sechs tiefe, weitreichende Risse gebildet, der Krone des fallenden Tränensterns ähnelnd.
    Auch darin siedelten sich die Nachkommen unserer Ahnen an, und sie gaben den Strahlen des Sterns verschiedene Namen: Avaris, Wèlèron, Ocizûr, Riphâlgis, Shiimāl, Kashagòn und das Herz Dsôn.
    Die Ahnen glätteten die Risse, gaben ihnen gerade Formen.
    Geeint im Sternenstaat Dsôn Faïmon, erstarkten wir und wurden seit seiner Erschaffung nicht ein einziges Mal erobert.
    Die unterworfenen Völker wurden zu unseren Vasallen, Dienern und rechtlosen Knechten.
    Epokryphen der Schöpferin,
1. Buch, Kapitel 1, 12–17

Ishím Voróo (Jenseitiges Land), Albae-Reich Dsôn Faïmon, Strahlarm Avaris, 4370. Teil der Unendlichkeit (5198. Sonnenzyklus), Sommer
    Raleeha tastete nach dem Becher, in dem sich der schmerzlindernde Trunk befand, den Kaila für sie zubereitet hatte. Die zerstochenen Augäpfel waren bereits ausgedörrt, und die Wunden hatten sich

Weitere Kostenlose Bücher