Legion der Morgenroete
ihre Kraft. Wieder drückte er auf den Hebel und sandte eine weitere Riesenblase über die Mauer. Ein ganzer Teil der Mauer in Tornähe fiel zusammen. Als der Staub der Trümmer sich gelegt hatte, sah Meliadus, daß nun eine Bresche geschlagen war. Sofort hob sich seine Stimmung.
Ein pfeifendes Heulen drang jetzt aus Kalans Maschine. Der Baron hantierte aufgeregt am Lenkmechanismus und erteilte seinen Männern hastige Anweisungen.
Taragorm trat auf das Dach und salutierte Meliadus. „Ich sehe, ich habe Kalan unterschätzt", gestand er. Er schritt auf den Schlangenwissenschaftler zu. „Meinen Glückwunsch, Kalan."
Kalan schwenkte die Arme und rief begeistert. „Seht her, Taragorm! Seht her! Hier, versucht es selbst! Es ist ganz einfach. Ihr müßt nur auf diesen Hebel drücken."
Taragorm faßte den Hebel mit beiden Händen. Seine Uhrenmaske blickte in Richtung auf die Mauer, wo Huons Truppen sich in den Palast zurückzogen, verfolgt von den rollenden Todeskugeln.
Doch plötzlich donnerte eine Flammenkanone aus dem Palast. Es war Huons Artillerie endlich gelungen, dort Stellung zu beziehen. Mehrere Flammenblitze zischten über ihren Köpfen vorbei, andere prallten, ohne Schaden anzurichten, gegen die Mauer unterhalb.
Kalan grinste triumphierend. „Diese Dinge sind nutzlos gegen meine Waffe. Ziel mit ihr auf sie, Taragorm. Da - schick ein Kügelchen dorthin!" Sein Finger deutete auf die Fenster, hinter denen die Kanonen aufgestellt waren.
Taragorm war genauso fasziniert von der Maschine wie Kalan. Meliadus amüsierte sich über die beiden Wissenschaftler, die damit spielten wie Kinder mit einem neuen Spielzeug. Er war jetzt in sehr guter Stimmung, denn es war offensichtlich, daß Kalans Waffe die Schlacht zu ihren Gunsten wendete. Es schien ihm nun an der Zeit, sich Adaz Promp anzuschließen und die Truppen anzuführen.
Er stieg die Stufen hinunter, die ihn ins Turminnere brachten, und rief nach seiner Sänfte. Als er darin saß, lehnte er sich bequem zurück und träumte von seinem baldigen Triumph.
Da erschütterte eine gewaltige Explosion den ganzen Turm. Er sprang aus der Sänfte, rannte den Weg zurück, den er gekommen war. Als er sich dem Dach näherte, warf ihn eine ungeheuerliche Hitze zurück. Er sah Kalan, die Maske verzogen, durch den Dampf auf ihn zutorkeln. „Verschwindet!" brüllte der Wissenschaftler. „Die Maschine ist explodiert. Ich stand gerade beim Ausgang, sonst wäre ich schon tot. Sie spuckte meine Mixtur über den ganzen Turm. Verschwindet, oder das Zeug frißt uns alle auf."
„Taragorm!" rief Meliadus. „Was ist mit Taragorm?"
„Es kann nichts mehr von ihm übrig sein", murmelte Kalan. „Beeilt Euch. Wir müssen fort vom Turm, so schnell es nur geht."
„Taragorm ist tot? Und so bald, nachdem er mir geholfen hat?" Meliadus folgte Kalan die Rampe hinunter. „Ich wußte, daß er mir Schwierigkeiten bereiten würde, sobald Huon erst geschlagen ist, und fragte mich, was ich mit ihm machen sollte. Jetzt hat sich das Problem von selbst gelöst! Mein armer Schwager!"
Meliadus schüttelte sich vor Lachen, während er hinter Kalan herlief.
8. FLANA BEOBACHTET DIE SCHLACHT
Aus der Sicherheit ihres eigenen Turmes sah Flana zu, wie die Soldaten durch die Bresche in der Palastmauer ins Innere stürmten. In diesem Augenblick brach plötzlich der Turm ein, der Meliadus als Hauptquartier gedient hatte, und krachte polternd auf die niedrigen Gebäude und Straßen herab.
Sie nahm an, daß Meliadus dabei ums Leben gekommen war, sah jedoch bald darauf sein Banner, dem die Truppen in die Schlacht folgten. Auch Adaz Promps Standarte bemerkte sie und wußte nun, daß Wolf und Hund, die traditionellen Gegner, König Huon gemeinsam angriffen.
Sie seufzte. Der Schlachtenlärm wurde immer durchdringender, und sie konnte ihm nicht entfliehen. Sie sah, wie die Flammenkanonen vergeblich in den Hof zu zielen versuchten, wo die Krieger auf den Palasteingang zurannten, in den die grünen Kugeln riesige Löcher gefressen hatten. Aber die Artillerie war im Nahkampf nutzlos. Die Kanonen waren aufgestellt worden, weil man mit einer längeren Belagerung gerechnet hatte, und nun ließen sie sich nicht mehr rechtzeitig an strategisch günstigeren Punkten einsetzen. Einige Flammenlanzen feuerten aus den zerfressenen Türflügeln, aber keine größeren Waffen.
Der Schlachtenlärm schien in ihren Ohren zu verstummen, genau wie ihre Augen die Umgebung nicht mehr sahen, als Flana wieder von d'Averc zu träumen
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