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Legionen des Todes: Roman

Legionen des Todes: Roman

Titel: Legionen des Todes: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael McBride
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er den straff zwischen Jakes Händen aufgespannten Stoff betastete: Er war warm. Nicht die feuchte Wärme, die von dem Kontakt mit seiner Haut kam, sondern eine trockene Hitze, als hätte er in einem Ofen gelegen. An einigen Stellen war er ausgefranst und brüchig. Versengt.
    Ray hob die Hände an seine leeren Augenhöhlen und betastete vorsichtig die vernarbte Haut.
    »Was zum Teufel …?«
    »Deine Augen …«, sagte Jake, ergriff Rays Handgelenke und zog sie nach unten. »Sie haben gebrannt.«

III
     
    »Phoenix!«, schrie Missy und kletterte hektisch auf die Ladefläche. Das Gesicht war immer noch direkt hinter ihm. Wie konnte er nicht merken, dass jemand direkt hinter ihm …?
    Sie hatte ihn gerade erreicht und an der Jacke gepackt, um ihn zur Seite zu stoßen, als sie plötzlich innehielt. Die Schatten hatten sich gerade weit genug zurückgezogen, dass Missy den eingemeißelten Ausdruck der Trauer auf dem von einer steinernen Kapuze umrahmten, leblosen Gesicht erkennen konnte, das sie mit marmornen Augen anstarrte. Die Statue der Frau kniete auf einem rechteckigen, marmornen Podest, die Hände vor ihrer Brust zum Gebet gefaltet. Jetzt wusste Missy, was es war.
    »Alles okay?«, fragte Phoenix.
    Missy lockerte ihren Griff und ließ Phoenix’ Jacke los. »Ich dachte, da würde jemand hinter dir stehen.«
    »Und du wolltest mich beschützen?«, fragte Phoenix. Es lag eine zweite Frage hinter dieser ersten verborgen, Missy sah es in seinen Augen, aber sie hatte keine Ahnung, worum es sich dabei handeln mochte.
    »Natürlich«, flüsterte sie, schlang ihre Arme um ihn und vergrub ihr Gesicht an seinem Hals. Ein Zittern lief durch Phoenix’ Körper.
    Er löste sich aus ihrer Umarmung und lächelte sie an, aber sie spürte, dass er das nur ihr zuliebe tat.
    »Warum sprichst du nicht mit mir?«, fragte sie flüsternd.
    Phoenix nahm sanft ihr Gesicht zwischen seine Hände und küsste sie auf die Stirn. »Nicht jetzt.«
    Missy drehte sich weg und schüttelte den Kopf. Sie hörte, wie seine Schritte sich von ihr entfernten, als er wieder nach hinten ging, um die Holzpflöcke von der Ladefläche zu schieben. Sie starrte in die schmerzerfüllten Augen der trauernden Jungfrau, überwältigt von der Ausdruckskraft, die der Bildhauer diesem Stück Stein gegeben hatte. Neben dem Grabstein standen noch andere, deren Farben von poliertem Weiß bis hin zu dem stumpfen Grau eines wolkenverhangenen Himmels reichten. Sie sah einen Engel, der auf einem Fuß balancierte und ein Horn an den Lippen hielt, um das Paradies zu verkünden. Ein anderer stellte den bärtigen Heiland dar, der viel zu große Talar hing in großen Falten von seinem ausgemergelten Körper, die Hände hatte er zu einer willkommenden Umarmung ausgebreitet. Er stand auf einem Sockel, auf dem ein weiterer Christus abgebildet war, nur mit einem Lendenschurz bekleidet und einer Dornenkrone auf dem Haupt, die Arme zur Seite gestreckt und die Füße übereinander, als hinge er an einem unsichtbaren Kreuz. Missy sah eine weitere Jungfrau Maria. Mit einem in Tücher gewickelten Kind auf den Armen stand sie neben einem großen, gotischen Kreuz. Insgesamt waren es acht Grabsteine. Missy versuchte, die mögliche Bedeutung dieser Zahl zu ignorieren, denn unten am Strand befanden sich nur sechs Gräber.
    Sie hörte, wie Schritte sich von hinten näherten.
    »Sie sind wunderschön, findest du nicht?«, fragte Adam.
    »Ich finde sie eher traurig.«
    »Das sollen sie ja auch sein.«
    »Ich weiß«, erwiderte Missy. »Aber diese Traurigkeit auf ihren Gesichtern … sie wird nie verschwinden.«
    Ein schwaches Lächeln huschte über Missys Gesicht, dann schob sie sich an Adam vorbei. An der Ladeklappe blieb sie stehen und hielt nach Phoenix Ausschau, konnte ihn aber nirgendwo entdecken. Jill und Mare hatten beide Arme voll mit Kartons beladen und waren gerade auf dem Weg zurück zur Höhle. Dann hörte sie, wie sich Marmor quietschend über den Aluminiumboden des Anhängers bewegte – es war Adam, der die Grabsteine in Richtung der offenstehenden Ladeklappe schob.
    »Phoenix!?« Es kam keine Antwort. Sie musste mit ihm reden, musste wissen, was da in seinem Kopf vorging. Die Distanz, die er zwischen ihnen aufbaute, machte ihr immer mehr zu schaffen. Sie liebte ihn und konnte es nicht ertragen, wie er sich immer weiter von ihr entfernte. Warum nur fühlte sie sich so vollkommen hilflos? Sie wusste, dass er anders war, etwas Besonderes. Er trug die Last der ganzen Welt auf seinen

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