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Legionen des Todes: Roman

Legionen des Todes: Roman

Titel: Legionen des Todes: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael McBride
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auf seinen vom Fahrtwind ausgetrockneten Lippen.
    Vor der Schwärze seiner Augen bildeten sich kleine Punkte, nicht die sich langsam bewegenden Kreise, die auf einen stumpfen Schlag auf den Kopf folgten, sondern bewegungslose, graue Punkte, fast wie …
    Rays Puls schoss in die Höhe, und er hielt den Atem an. Er richtete sich auf und hob den Kopf so weit, dass er über Mares Schulter sehen konnte. Eine verschwommene schwarze Linie wie der gezackte Rücken eines Jagdmessers, wenn auch nicht so scharf und regelmäßig, verlief quer über sein Gesichtsfeld. Das waren Baumwipfel. Bei der heiligen Muttergottes, er konnte die Baumwipfel sehen! Und darüber … darüber verströmten graue Stecknadelköpfe ein mattes Leuchten. Er sah sogar die Sterne am Nachthimmel! Dort war die Deichsel des Großen Wagens. Hier der Gürtel des Orions. Und da, das große Runde, das war der zunehmende Mond. Er konnte sie sehen! So wahr ihm Gott helfe, er sah sogar …
    »Nein. Nein, nein, nein!«, rief er, während die Bilder wieder verblassten, als würden sie von schwarzem Nebel verschlungen. Der Fahrtwind zerrte an seinen Wangen, lange Haarsträhnen schlugen peitschend auf seine leeren Augenhöhlen ein. Je mehr er innerlich tobte, desto schneller verblasste das Bild, bis er wieder vollkommen allein war in der erdrückenden Dunkelheit in seinem Kopf. Er wollte auf etwas einschlagen, mit den Fäusten trommeln und den Füßen aufstampfen vor Frustration. Stattdessen entschied er sich, einfach so laut zu schreien, wie er konnte.
    Das Motorrad schlingerte, und Ray krallte sich an Mares Rücken fest.
    »Was ist los?«, rief Mare ihm über die Schulter zu. Jeder einzelne Muskel in seinem Körper war angespannt, während er sich bemühte, das Motorrad auf dem geschotterten Seitenstreifen wieder unter Kontrolle zu bekommen.
    »Nichts«, sagte Ray und beugte sich nach vorn, um direkt in Mares Ohr sprechen zu können. »Ich glaube, ein Stein hat mich erwischt, den eins der vorderen Motorräder aufgeschleudert hat.«
    Er wusste, dass seine Lüge wenig glaubhaft war. Mit Mares Körper als Schutzschild war das Risiko gering, von irgendetwas getroffen zu werden, aber Mare schien zufrieden oder, was wahrscheinlicher war, zumindest nicht darauf erpicht, das Thema weiterzuverfolgen.
    Ray lockerte seinen Griff um Mares Hüfte und zog den Kopf wieder ein. Er hatte etwas gesehen, daran bestand kein Zweifel. In der Höhle hatte er das verschwommene Bild der Flammen vielleicht noch aus seinen Erinnerungen zusammengebastelt, aber das hier war etwas vollkommen anderes gewesen. Er hatte Sternenkonstellationen gesehen, klar und deutlich. Zugegeben, es waren vertraute Muster, aber nicht so vertraut, dass er sie aus seinem Gedächtnis hätte nachbilden können. Er hatte sie zweifellos gesehen, doch was bedeutete das? Wenn er sie wirklich erblickt hatte, warum konnte er sie dann jetzt nicht mehr sehen? Warum waren sie verschwunden, als er sich auf sie konzentrierte?
    Es musste irgendeine Logik dahinterstecken. Er rief sich die Momente ins Gedächtnis, in denen er etwas gesehen hatte. Sicher gab es ein Muster. Beim ersten Mal hatte Jake ihm sanft die Hände aufgelegt; das zweite Mal war während der noch schlaftrunkenen Momente kurz nach dem Aufwachen gewesen, als er die Umrisse der Kisten und Decken gesehen hatte, über die er gestolpert war; und jetzt hatte er die Sterne gesehen. Er war in Gedanken verloren gewesen und hatte sie erst bemerkt, als sie schon da waren. Sie hatten ihn überrascht, als wäre er bewusstlos gewesen und unter dem Sternendach wieder zu sich gekommen. Vielleicht … vielleicht gab es irgendeinen roten Faden, dem er folgen konnte. Das erste Mal schrieb er Jake zu. Konnte es eine Art Entspannung gewesen sein, welche die kleinen, kalten Hände des Jungen an seinen Schläfen herbeigeführt hatten? Das zweite Mal war in einem beinahe noch traumartigen Zustand gewesen. Während er fiel, waren in dem Moment der Schwerelosigkeit kurz vor dem Aufprall alle bewussten Gedanken beiseitegefegt gewesen, und jetzt, heute Nacht, war er ein wenig weggetreten gewesen, vielleicht noch benommen von dem kurzen Schläfchen und dem Dröhnen des Motors. Ray zupfte an dem Faden, dröselte ihn ein klein wenig weiter auf. Entspannung. Traumartiger Zustand. Schwerelosigkeit. Weggetreten. Es war wie die vier Seiten eines Quadrats. Jedes Mal war das Bild verblasst, wenn sein rationales Bewusstsein eingegriffen und versucht hatte, das Phänomen zu erklären, dass er ohne

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