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Legionen des Todes: Roman

Legionen des Todes: Roman

Titel: Legionen des Todes: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael McBride
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dunkelhäutige Vorfahrin und sah sie mit den weißen Augen des Falken an.
    »Das kann unmöglich eine Vision sein«, sagte Jill in ihrem Geist. »Wenn das ein Vorausblick auf die Zukunft sein soll, kannst du nicht hier sein.«
    Die Frau nickte. »Ja, Kind.«
    »Das Baby, meine Tochter … Werde ich sie je zur Welt bringen?«
    »Wenn du bereit bist, alles für sie zu opfern.«
    »Das verstehe ich nicht. Wenn ich mein Leben für sie gebe, wird sie nie geboren werden.«
    Ihre Ururururgroßmutter lächelte, doch es war ein trauriges Lächeln.
    »Du musst es ihm sagen.«
    »Wem? Was soll ich …?«
    »Sag es ihm, jetzt.«
    Der See erschien wieder vor ihren Augen, und die letzten Samen ließen sich gerade auf seiner Oberfläche nieder. Ihre beiden ausgebreiteten Hände waren immer noch voller Baumwollflocken, und Mare saß neben ihr, wie er es die ganze Zeit über getan hatte. Jill betrachtete ihn, sein schiefes Grinsen und seine schiefe Nase, dachte über die Art nach, wie er die Welt mit leuchtenden Augen voller Neugierde betrachtete. Sie hatte nie jemanden so geliebt, wie sie Mare in diesem Moment liebte.
    »Nein«, sagte sie, und der Atem stockte in ihrer Brust.
    Mare drehte den Kopf in ihre Richtung und lächelte sie an, doch das Lächeln verblasste schnell, als er ihre Verwirrung sah.
    »Was … was ist los?«
    »Mare …«
    »Zeit zum Aufsatteln!«, rief Adam und kam zurück ans Ufer gelaufen.
    »Sprich mit mir, Jill.«
    »Das gilt auch für euch beide«, sagte Evelyn und legte Mare eine Hand auf die Schulter.
    »Nur eine Minute«, gab er zurück.
    »Wir verlieren nur Zeit«, beharrte Adam. Die anderen gingen bereits in langsamem Tempo zurück zu ihren Motorrädern.
    »Jill …«
    »Es kann warten«, unterbrach sie ihn und sah weg. Sie griff nach ihren Schuhen und Socken, die in dem frisch gewachsenen Gras neben ihr lagen.
    »Jill!«, rief Mare, doch sie lief bereits zu ihrem Motorrad.
    Mare blieb nichts anderes übrig, als ihr hinterherzustarren. Er war verwirrt, fragte sich, was ihr solche Sorgen bereiten mochte … und fürchtete, dass das, was sie zu sagen hatte, sein Leben für immer verändern könnte.

V
     
    Ray kostete jeden einzelnen Augenblick voll aus. Nun, vielleicht nicht jeden einzelnen Augenblick – die Monster, oder was immer sie gewesen sein mochten, in dem brennenden Wald hatten ihn zu Tode geängstigt -, aber er genoss den Anblick der verkohlten Baumstümpfe, die zu beiden Seiten an ihnen vorbeizogen; jeden skelettartigen Ast, der aus den Stümpfen ragte; jeden Spalt dazwischen, durch den er den grauen Himmel sehen konnte; die Silhouetten der anderen vor ihm, wie sie sich über den Pfad schlängelten; sogar den Anblick von Mares Hinterkopf, die Rundungen seiner Ohren waren faszinierend. Zugegeben, es war kein vollwertiger Ersatz für das Sehen, das er einst gekannt hatte, und er musste Acht geben, Mare nicht zu nahe zu kommen, weil dann die Flammen, die aus seinen Augenhöhlen loderten, vielleicht Mares Haare in Brand gesteckt hätten. Aber es war weit mehr, als er sich noch vor wenigen Tagen in seinen wildesten Träumen hätte ausmalen können. Die Sonne war zwar nur noch ein schimmerndes Fünf-Cent-Stück am Himmel, aber was machte das schon? Er sah die Welt nur noch in Grauschattierungen, aber er wollte sich nicht beklagen. Er hatte sich daran gewöhnt, die Herzen und Gehirne seiner Freunde als weiß glühende Kugeln zu sehen, und an die grauen Blutbahnen, die ihre Gliedmaßen durchzogen. Es war wunderbar, unglaublich, und wenn es auch nicht dem Panoptikum an Farben und Schattierungen gleichkam, dass er die ersten zwanzig Jahre seines Lebens gewohnt gewesen war, so war seine neue Sehfähigkeit doch ein Wunder, das er nie wieder als selbstverständlich hinnehmen würde.
    Vor wenigen Tagen noch, genauer gesagt Stunden, war er sich vollkommen nutzlos vorgekommen. Er war blind gewesen wie eine Fledermaus und hatte kaum zehn Schritte weit gehen können, ohne hinzufallen. Er war der Klotz am Bein der anderen gewesen. Eine Last. Und gänzlich andere Dinge waren ihm durch den Kopf gegangen. Hätte er ein Seil auftreiben können und einen Baum gefunden, der hoch genug war, hätte er seine Freunde liebend gern von der Verpflichtung erlöst, die sie ihm gegenüber verspürten. Er hatte sogar daran gedacht, hinaus in den Großen Salzsee zu waten und so weit zu schwimmen, bis er seine Arme nicht mehr bewegen konnte und friedlich in den dunklen Tiefen versank. Und jetzt, da er wieder daran dachte, fragte

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