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Lehmann, Christine

Lehmann, Christine

Titel: Lehmann, Christine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mit Teufelsg'walt
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Lärms zwar am Abend vor neun den Betrieb einstellte, aber frühmorgens ab 5:15 Uhr schon wieder rumpelte. Ich hätte Sprengsä t ze gelegt. Ein Bum und dann Ruhe.
    Im Treppenhaus des gepflegten Jugendstilgebäudes, in dem außer dem Staatsanwalt noch ein Chirurg und ein Professor für Geschichte wohnten, stand ein Kinderw a gen. Noch nie hatte da ein Kinderwagen gestanden. Ich stieg die Treppen hinauf. Tiffa nygläser funkelten in den Wohnungstüren, das Geländer schnörkelte . Helle und leichte Klavierläufe klangen aus Richards Wohnung, als ich aufschloss. Er saß an seinem Bechsteinflügel, Alena lag in einem der beiden Ledersessel, hatte die Augen o f fen und genoss die akustischen Sensationen. Richard nahm eine Hand von den Tasten, um Cipión zu begr ü ßen. Das Spiel unterbrach er nicht. Offenbar genoss er wi e derum den Luxus, ein paar Minuten in sich selbst und seine Gewohnheiten zurückzukehren und den Wutz dabei ruhig zu halten.
    Ich ging in die Küche. Richards kulinarische Einric h tung galt dem Italienischen. Wer die Grundprinzipien von Pasta, Olivenöl, Tomaten und Kalbfleisch beherrsc h te, konnte nichts falsch machen in seinen Kreisen. Ich fand Spaghetti und im Kühlschrank eine Trüffelknolle. Hmmm! Das würde sogar ich hinkriegen. Ich setzte Wa s ser auf.
    Cipión hätte auch gern etwas gehabt, aber mehr aus Prinzip, denn eigentlich hatte er den Bauch voller Vanil l e pudding. Ich stellte ihm Wasser hin und gab ihm ein paar Hundecracker. Er zog sich dann auf den flauschigen Teppich ins Wohnzimmer zurück.
    Das Klavierspiel versiegte.
    »Was hast du Sally eigentlich erzählt?«, fragte ich, als Richard mit Alena auf dem Arm in die Küche kam.
    »Warum?«
    »Sie hat mich alles geheißen, was beste Freundinnen einander an den Kopf knallen, bevor sie sich für immer verfeinden.«
    »So?« Er wirkte besorgt. Richard pflegte zwar seine Feindschaften, aber er hatte nicht das geringste Ve r ständnis für das, was er, wenn ich nicht dabei war, St u tenbi s sigkeit nannte. »Gar nichts habe ich gesagt, Lisa. Sie hat mich angerufen, weil sie über irgendeine Freu n din einen Kinderwagen organisiert hatte. Sie wollte, dass du ihn abholst.«
    »Und da hast du angedeutet, dass man gerade nicht auf mich zählen könne.«
    Richard studierte angelegentlich die Gebrauchsanle i tung eines Kindertees. »Was ist eigentlich los zwischen euch beiden?«
    Ich zuckte dramatisch mit den Achseln und fächerte einen Satz Hartweizenmikados ins kochende Wasser.
    Er schaute routinemäßig auf die Uhr. »Das musst du in Ordnung bringen, Lisa.«
    »Da ist nichts mehr in Ordnung zu bringen. Ich habe einen einzigen schweren Fehler begangen. Damals, nach meiner Mondfahrt, als ich sie ohne Erklärung stehen ließ, um dich zu suchen.«
    Ich nahm einen Kochlöffel, um die Spaghetti unter Wasser zu drücken.
    »Weißt du, Richard, so was ist unter Frauen absolut unverzeihlich. Insgeheim sind wir davon überzeugt, dass die wahre Freundschaft unter Frauen über allem steht.« Ich machte eine weltumspannende Geste mit dem Koc h löffel. »Ein Mann darf schon mal enttäuscht werden, eine Frau nicht ein Mal. Niemals, Richard.«
    »He!« Er hielt schützend seine Hand über das Kind. »Du musst Alena trotzdem nicht gleich mit dem Koc h löffel erstechen.«
    »Deine Trüffelreibe …« Ich zog die Schubladen auf. »Wo hast du die?«
    »Da, wo sie immer ist.«
    »Du hast die Uhr im Blick?«
    Er nickte. »Noch fünfeinhalb Minuten.«
    »Sag mal …«
    Er lachte.
    »Was gibt es da zu lachen?«
    »Du bist doch nur gekommen, weil du wissen willst, was ich heute im Amt gemacht oder vielmehr herausg e funden habe.«
    »Und?«
    »Viel Zeit hatte ich ja nicht, um mir einen Überblick über die Finanzen des Jugendamts, der Stiftung Xenod o chium und des Heimbetriebs zu verschaffen. Die Jahre s berichte des Jugendamts sind öffentlich. Und das Regi e rungspräsidium hat mir den Jahresbericht an die Sti f tungsaufsicht mit Ertragsrechnung des Fondsvermögens des Xenodochiums gemailt. Spaßeshalber habe ich schnell mal den Benford drübergejagt …«
    »Wen?«
    »Das habe ich dir schon mal erklärt, Lisa. Die Be n ford’sche Verteilung, auch das Benford’sche Gesetz g e nannt.«
    Er schaute auf die Uhr. Mal sehen, ob ihm drei Min u ten reichten, um es mir noch einmal zu erklären.
    »Es besagt, dass kleine Ziffern, also 1 oder 2, sehr viel häufiger vorkommen als größere wie beispielsweise die 9, und zwar egal, ob für sich genommen oder in mehr

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