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Lehmann, Christine

Lehmann, Christine

Titel: Lehmann, Christine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mit Teufelsg'walt
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stelligen Zahlen. Das gilt überall auf der Welt, etwa für Datensätze von Einwohnerzahlen, Hausnummern, Natu r konstanten oder für die Buchhaltung. Demnach ist die Ziffer 1 in allen Zahlenwerken mit 30 Prozent am hä u figsten vertreten, danach kommt die 2 mit 17 Prozent, die 3 mit 12 Prozent und so weiter. Auf die 9 entfallen nur noch knapp 5 Prozent.«
    »Ich erinnere mich.«
    »Das gilt auch für jede ordentlich geführte Betrieb s bi lanz, sowohl auf der Seite der Aktiva als auch der Pa s siva. Zählt man die Ziffern aus – wir haben ein Comp u terprogramm dafür –, muss die Benford’sche Verteilung herauskommen. Kommt sie nicht heraus, sind beispiel s weise die 9 oder die 8 überproportional vertreten, dann ist die Bilanz gefälscht.«
    Alena gähnte genüsslich.
    »Heißt das …«
    Richard deutete gebieterisch auf seine Uhr.
    Ich sprang und nahm das Sieb vom Haken. »Heißt das  …« Ich fasste den Topf und ging zur Spüle.
    »Ja, Lisa!« Eine Andeutung von Triumph schwang in seiner Stimme. »Auf der Einnahmeseite stimmt die Be n ford-Verteilung nicht. Das Fondsvermögen ist mit fikt i ven Aktiengewinnen schöngerechnet. Infolgedessen konnten die realen Ausgaben höher ausfallen. Mit anderen Wo r ten, die Stiftung Xenodochium gibt mehr aus, als sie darf.«
    Feierlich dampfend knäulten sich die Spaghetti im Sieb.

16
     
    »Ich nehme an, du bleibst nicht?«, sagte er beim Spülm a schineeinräumen.
    Momentan schlief Alena still wie ein Blindgänger in Decken im Schlafzimmer auf Richards klösterlich schm a lem Bett. Aber sie würde in der Nacht mindestens dre i mal explodieren.
    »Wie soll das gehen, Richard?«
    Sein Bett war schon für zweie reichlich schmal. R i chard hatte sich bislang nicht entschließen können, ein breiteres anzuschaffen, weshalb er gewöhnlich zum Be i schlaf zu mir kam. Denn wer hereinkam, konnte auch wieder hinausgehen. So hatte ich es mir erklärt. Als Mann brauchte er die Illusion von einsamer Wolf und Rückzug in die mönchisch lustlose Strenge seines Jun g gesellenschlafzimmers. So blieb seine Lebensperspektive in der Flucht. Doch offenbar reichte ein Baby, damit aus einem hartgesottenen Hagestolz übergangslos ein kuschliger Pantoffelheld wurde, der Kind und Kegel, Frau und Dackel ständig um sich haben wollte und auf meine Unabhängigkeitssignale verletzt reagierte.
    »Und morgen früh«, sagte ich, »gehen wir dann gleich zu Ikea, um Kinder- und Ehebett zu kaufen?«
    Mit seinem »Schade« im Ohr fuhr ich wieder in den Kessel hinunter. Es hatte geklungen, als hätte er es sich von Sally vorsprechen lassen: »Schade, Lisa, dass du es nicht mit mir genießen kannst, das kleine Wunder des Lebens, das uns zugefallen ist. Schade, dass du es nicht fertigbringst, deine eigenen Bedürfnisse zurückzustellen, nicht einmal für ein Kind.«
    Auf meinem Sofa lag lang ausgestreckt Katarina und schlief, als ich kurz vor neun meine Wohnung betrat. Der Fernseher lief. Es war buntes Unterschichtprogramm, in dem sich Paare anschrien und abgehalfterte Schauspieler Würmer aßen.
    Ich rüttelte Katarina wach. Sie schreckte hoch und setzte sich benommen auf.
    »Ist bei euch die Heizung kaputt?«, fragte ich.
    »Die Alte von unten hat mich reingelassen«, begann sie unverzüglich eine Erklärungstirade. »Sie hat gemeint …«
    »Oma Scheible?«
    »Ja, sie hat gemeint, das ginge nicht, dass ich auf den Treppen sitze. Das wäre asozial.«
    »Und warum hast du auf der Treppe gesessen?«
    »Ich habe gewartet, dass Mama heimkommt.«
    »Hast du keinen Schlüssel?«
    »Ich hab ihn verloren, schon vor einer Weile. Mama hat gesagt, einen neuen müsste ich mir selber machen lassen, von meinem Geld. Damit ich lerne, auf mein Sach aufzupassen.« Sie grinste görenhaft. »Die Alte … also die Oma Scheible hat ja die Schlüssel von allen hier im Haus, nur von uns noch nicht. Sie hat gemeint, sie könnte mich bei Ihnen in die Wohnung lassen. Sie hätten nichts dagegen. Stimmt doch, oder?«
    »Wenn du nichts anfasst!«
    »Hab ich nicht, ich schwör!« Mit den Fingern fuhr sie sich durch die halblangen dunklen Haare und stand auf. Ihr Blick fiel auf die Zigarettenschachtel auf meinem Tisch. »Krieg ich eine?«
    Sie hatte sich bereits einmal bedient, wie ich an der anders gekrümmten Kippe im Aschenbecher erkannte.
    »Meinst du nicht, dass deine Mutter inzwischen zu Hause sein müsste? Fragt sie sich nicht, wo du steckst?«
    Katarina verzog das Gesicht und verzichtete auf die Zigarette. »Na gut. Dann geh

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