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Lehmann, Christine

Lehmann, Christine

Titel: Lehmann, Christine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mit Teufelsg'walt
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ich halt.«
    Ich ließ sie hinaus und stellte die Kiste auf Bildung s fernsehen. Drei Minuten später stand Katarina wieder in meiner Wohnung. »Mama macht nicht auf.«
    »Wie?«
    »Ich habe geklingelt und so. Aber sie macht nicht auf.« Katarina musterte süchtig die Zigarettenschachtel. »Wenn Mama eine Tablette genommen hat, dann schläft sie so tot … da könnt was explodieren. Könnte ich nicht heute Nacht hier …« Der Gedanke schien ihr sehr zu gefallen, zumal wegen der Nähe zu meinen Z i garetten.
    »Moment!«
    Ich fischte mein Pickset aus der Parkatasche, befahl Cipión dazubleiben, und schob Katarina zur Tür hinaus. Ein Stockwerk höher klingelte ich noch mal, klopfte und lauschte. In der Wohnung rührte sich nichts.
    »Ich sag doch … Wenn meine Mutter schläft, dann …«
    Ich zog Spanner und Picknadel aus dem Lederetui.
    »Cool! Sind das Dietriche?«
    Ich hakte den Spanner in den Winkel des Schlos s mundes.
    »Und damit kriegst du jetzt die Tür auf?«
    »Wenn ich Glück habe.«
    Ich steckte den Pick ins Schloss und tastete mit der Hakenspitze die fünf Stifte ab, die es auf ihren Federn einen nach dem anderen so hinunterzudrücken galt, dass sie an der Stelle einrasteten, wo sie unterbrochen waren. Hatte ich für alle fünf die richtige Position gefunden, dann würde sich das Schloss mit Hilfe des Spanners dr e hen lassen. Trainierte Sportsfreunde der Sperrtechnik schafften so was in Sekunden, ich würde dazu, wenn es blöd lief, eine halbe Stunde brauchen oder es morgen noch mal versuchen müssen.
    »Übrigens, damit das klar ist, Katarina: Ich öffne ke i ne Tür, sondern nur das Schloss, klar?«
    Sie lachte.
    »Kommt das öfter vor, dass deine Mutter nicht au f macht?«, erkundigte ich mich.
    Das Treppenhauslicht verlosch. Katarina machte es wieder an. »Vielleicht ist sie ja auch gar nicht da.«
    »Wo ist sie normalerweise, wenn sie nicht da ist?«
    Das Mädchen zuckte mit den Schultern. »Keine A h nung.«
    Der zweite Stift von hinten verhakte sich zwischen Schlosskern und Gehäuse und blieb unten. Jedes Schloss hatte seine kleinen Fehler woanders. Doch nur wegen dieser kleinen Ungenauigkeiten bei der Fert i gung kon n te man überhaupt Schlösser ohne Schlüssel öffnen.
    »Was hat deine Mutter denn heute früh gesagt?«
    Katarina kratzte sich am Kopf. »Nichts. Ich bin in die Schule und mittags dann zu Jovana, das ist eine Freu n din, zum Lernen.«
    Gelogen!, dachte ich.
    »Dann bin ich heim, aber sie hat nicht aufgemacht. Also bin ich noch mal los.«
    »Könnte es sein, dass sie in einer Kneipe sitzt?« Der dritte Stift – es war der vorderste – gab nach und rastete ein.
    »Keine Ahnung.«
    »Hast du eigentlich irgendeine Ahnung von deiner Mutter?« Hätte man mich das vor zehn Jahren gefragt, ich hätte zurückgepampt : »Muss ich denn? Habe ich da r um gebeten, geboren zu werden?«
    Katarina war planloser. »Sie hat es voll schwer gehabt im Leben.«
    »Inwiefern?«
    Der vierte Stift ergab sich, und Katarina machte zum dritten Mal die Treppenhausbeleuchtung wieder an. Ich hätte kein Licht gebraucht, aber sie brauchte es.
    »Keine Ahnung«, sagte sie. »Pech mit den Männern. Keine Arbeit. Als Hebamme kann sie ja nicht, wegen Schichtdienst und so. Und sie hat … sie hat halt die L ü cke in der Biographie.«
    Ich dachte: Psychiatrie. »Und wo wart ihr Kinder s o lange?«
    »Tobi war noch nicht auf der Welt und mein Vater war noch bei uns.«
    »Und wie kam es, dass deine Mutter mit diesem Ossi aus Anklam ein Kind gemacht hat?«
    »Keine Ahnung.«
    »Keine Ahnung, keine Ahnung«, äffte ich. »Da warst du doch immerhin acht Jahre alt.«
    Jetzt nur keinen Fehler machen und auf keinen Fall den Druck auf den Spanner vergessen, sonst schnappten sie mir alle wieder hoch.
    »Vielleicht war gar nichts mit dem aus Anklam«, an t wortete Katarina überraschend. »Mama hat mal erzählt, der Papa hätte damit gedroht, das Kind, wenn es ein Junge wird, mit nach Albanien zu nehmen, damit er muslimisch erzogen wird. Sie hätten sich voll viel g e stritten, er hätte sie geschlagen und so. Als Tobi auf der Welt war, hat Mama dann einfach gesagt, er sei von einem anderen, von einem, den sie im Krankenhaus kennengelernt hä t te.«
    Vielleicht hatte Luftar Vlora die Fehlinformation i n zwischen auch durchschaut und nunmehr seinen Sohn entführt. Einem albanischen Vater hätte das Jugendamt niemals das alleinige Sorgerecht zugesprochen.
    »Und dich wollte er nicht in Albanien erziehen?«
    »Ich bin nur

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