Lehtolainen, Leena
erschossen hat, gehörte ebenfalls zu Ihrem Kundenkreis.
Kann man aus dem Geburtshoroskop eines Menschen beispielsweise eine künftige kriminelle Laufbahn oder einen gewaltsamen Tod ablesen?«
Kari Hanninen lächelte über die Frage der Interviewerin, die auch mir dumm vorkam.
»Astrologie ist keine Wahrsagerei. Natürlich kann man eine Neigung zu Gewalttätigkeit erkennen, ebenso wie bestimmte Krisenphasen im Leben.«
»Waren sie in Markku Halttunens Horoskop zu erkennen?«
»Ja, ganz deutlich. Dennoch hätten Markku und der Polizist, den er als Geisel genommen hatte, nicht ihr Leben verlieren müssen. Um einen abgedroschenen Ausdruck zu verwenden: Das stand nicht in den Sternen.« Hanninen versah sein Lächeln mit dem angemessenen Quäntchen Traurigkeit und strich sich die Haare aus der Stirn. Antti hatte meine Hand genommen, als die Ereignisse in Nuuksio zur Sprache kamen.
»In welchem Umfang wagen Sie es, Ihren Kunden Ratschläge zu geben? Wenn Sie zum Beispiel jemand fragt, ob er für einen bestimmten Beruf geeignet ist oder einen bestimmten Menschen heiraten soll, sagen Sie es ihm?«
»Selbstverständlich. Die endgültige Verantwortung liegt natürlich bei jedem Einzelnen. Wenn zwei Menschen aufgrund des Horoskops nicht zueinander passen oder wenn jemand zum Beispiel für einen künstlerischen Beruf, sagen wir zum Schau-spieler, nicht geeignet ist, sage ich es ihm ganz offen. Aber ich versuche immer, Alternativen zu finden, ich lasse die Menschen mit ihren Problemen nicht allein.«
Die Interviewerin wandte sich nun einem Therapeuten zu, der mit heilenden Steinen arbeitete, doch die Kamera schwenkte immer wieder zu dem entspannt dasitzenden Kari Hanninen, der mit den Mädchen in der ersten Reihe zu flirten schien. Dann trat ein Tangosänger auf, der seine verflossene Liebe heraufbe-schwor, und ich verzog mich mit Antti zum Teekochen in die Küche. Über Hanninen und seine astrologischen Karten sprachen wir erst am nächsten Tag auf der Heimfahrt.
»Wenn dir der Gedanke, dass Hanninen dein Horoskop erstellt, so zuwider ist, dann ist für dich an der ganzen Sache doch etwas dran«, meinte Antti, während er einen langsam dahinzo-ckelnden Traktor überholte.
»Ganz und gar nicht. Es gefällt mir einfach nicht, dass Hanninen sich einbildet, mich zu kennen, nur weil er meine Sternzeichen weiß. Um Himmels willen!«
Dieser Ausruf galt einem BMW, der in einem selbstmörderi-schen Überholversuch direkt auf uns zuraste und erst in letzter Sekunde auf seine eigene Spur einscherte. Ich war so erschrocken, dass ich das Klingeln meines Handys zuerst gar nicht wahrnahm.
»Akkila hier, grüß dich. Ich sollte dich anrufen, wenn sich jemand aus der Klinik meldet. Hier liegt eine Nachricht, Aira Rosberg hätte die Erinnerung wiedererlangt.«
»Was? Danke, dann fahre ich jetzt gleich hin.« Auf der Intensivstation war sicher auch am Sonntagabend ein Arzt, der mir sagen konnte, wie es um Aira stand.
»Musst du arbeiten?«, fragte Antti resigniert.
»Es dauert sicher nicht lange. Ich kann ja zu Fuß nach Hause kommen.«
»Brauchst du nicht, ich setz mich solange in die Eingangshalle und lese. Vielleicht lassen sie mich auch auf die Entbindungsstation. Ein Vergleich mit Tammisaari wäre doch ganz nützlich.«
»Du siehst nicht gerade schwanger aus«, witzelte ich.
Der Dienst habende Arzt auf der Intensivstation meinte, Aira könne am nächsten Tag auf die Normalstation verlegt werden, ihre Genesung sei gut vorangeschritten. Die Rückkehr des Gedächtnisses war jedoch nicht ganz so ausgefallen, wie ich erhofft hatte. Aira erinnerte sich daran, dass Elina vermisst wurde, nicht aber daran, dass sie tot aufgefunden worden war.
Der Arzt meinte, man wolle es ihr vorläufig auch nicht sagen.
Ich konnte ihn überreden, mich ein paar Minuten mit Aira sprechen zu lassen.
Sie lag in halb sitzender Position in ihrem Bett, war bei Bewusstsein, sah jedoch immer noch älter und kleiner aus, als ich sie in Rosberga erlebt hatte. Bei meinem Anblick lächelte sie unsicher, doch gleich darauf erkannte sie mich.
»Hauptmeister Kallio, guten Tag. Sie haben doch vor einigen Wochen bei uns in Rosberga einen Vortrag gehalten, nicht wahr?«
»Guten Tag, wie geht es Ihnen?« Da sie mich, anders als vorher, siezte, tat ich es ihr gleich. Offensichtlich erinnerte sie sich an nichts, was mit Elinas Tod zu tun hatte.
»Die Kopfschmerzen sind zeitweise sehr stark, und ich erinnere mich nicht genau … Offenbar bin ich gefallen … Ich
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