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Lehtolainen, Leena

Titel: Lehtolainen, Leena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Weiss wie die Unschuld
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über mich lustig machen. »Ich war ja von Beruf Krankenschwester, ich bin erst zwei Jahre vor der Gründung des Therapiezentrums Rosberga pensioniert worden. Vorher habe ich jahrelang in einem Altersheim gearbeitet. Allerdings hast du noch nichts über die Todesursache gesagt. Ist Elina sehr schlimm zugerichtet worden?«
    »Nein.« Meine Wangen brannten vor Scham und Wut. Aira Rosberg torpedierte jeden Versuch, Mitgefühl zu zeigen. Also gut, dann würde ich es eben nicht mehr versuchen. Wir ließen Johanna im Wartezimmer der Klinik zurück. Sie saß mit steifem Rücken in einer Sofaecke, die Beine fest zusammengepresst, wie ein kleines Mädchen, dem man aufgetragen hat, brav zu warten, während die Mutter einkaufen geht. Wie war ein derart willenloses Geschöpf mit neun Kindern klargekommen? Ich meldete uns bei der Information an, und an der Tür zum Leichenraum stieß Kervinen zu uns. Die Krankenschwester, die uns eingelassen hatte, blieb an der Tür stehen wie eine Rettungs-sanitäterin, bereit, hinzuzuspringen, falls die Zeugin ohnmächtig wurde oder einen hysterischen Anfall erlitt.
    Die Identifizierung mutete wie ein fremdartiges Ritual an, wie ein religiöser Tanz um das mit einem weißen Tuch bedeckte fahrbare Bett. Wir traten an die Liege, das Tuch wurde angeho-ben. Noch einmal sah ich in Elinas Kälte ausstrahlendes Gesicht, bevor ich den Blick auf Aira richtete. Sie nickte.
    »Erfroren«, stellte sie mit sanfter Stimme fest. Ich nickte, bat Aira um ihre Unterschrift und fragte sie nach dem Medikament.
    Sie erinnerte sich an den Namen und wusste auch, wer es verschrieben hatte.
    »Geh bitte schon zu Johanna ins Wartezimmer, ich komme gleich nach.« Als Aira zur Tür ging, trat die Krankenschwester auf sie zu, offenbar um zu fragen, wie sie sich fühlte. Die Antwort hörte ich nicht, ich sah nur, dass sie gemeinsam den von Neonröhren beleuchteten Flur entlanggingen. Erst jetzt nahm ich den Gestank des Desinfektionsmittels wahr, unter den sich der merkwürdig feminine, blumige Duft von Kervinens Rasierwasser mischte.
    »Das Medikament, das sie genannt hat, Erasin, passt sehr gut zu meiner Erythromycin-Theorie. Es hat die Wirkung des Alkohols und des Benzodiapins verstärkt. Wenn sie in ihrem Bett gefunden worden wäre, hätte man denken können, dass sie nur besonders tief schlafen wollte und deshalb eine größere Dosis Beruhigungsmittel und Alkohol zu sich genommen hat.
    Natürlich käme auch ein Suizidversuch in Frage. Aber wie sind die Schrammen am Rücken zu erklären? Sie sind ganz frisch, nach Eintritt der Bewusstlosigkeit entstanden, aber definitiv vor ihrem Tod, denn einige haben geblutet.«

    »Kann es sein, dass sie sich selbst durch den Wald geschleppt hat, rücklings kriechend? Kann das Medikament zum Beispiel zu einer Lähmung führen oder …«
    »Zweimal nein. Ich sehe mir die Knöchel noch einmal genauer an, vielleicht finde ich dort die Antwort.«
    »Nämlich?«
    »Ich suche nach Druckstellen oder Gewebsveränderungen, die beweisen, dass jemand sie unter den Baum, oder wo immer sie gefunden wurde, gezogen hat. Waren am Fundort Schleifspuren zu sehen?«
    »Der Regen hatte den Schnee so aufgeweicht, dass von Spuren kaum mehr die Rede sein kann. Zeig mir mal den Rücken.«
    Kervinen bewegte das tote Fleisch mit gleichgültigen Hand-griffen. Ich bemühte mich, die notdürftig zugeflickten Obduktionsschnitte zu ignorieren. Im Vergleich dazu sahen die Kratzer am Rücken winzig, fast bedeutungslos aus. Ich würde mir Elinas Nachthemd und Morgenmantel ansehen müssen.
    Wahrscheinlich waren auch sie am Rücken zerrissen, wenn man Elina durch den Wald geschleift hatte.
    »Im Übrigen war sie gesund und gut in Form. Sie hat offenbar nicht geraucht und wenig getrunken, scheint ihre Muskeln trainiert zu haben. Etwas ist allerdings seltsam«, sagte Kervinen, als ich schon zur Tür ging, »ich habe in den Akten keine Erklärung für den Muttermund gefunden. Keine Operation oder dergleichen.«
    »Was ist mit dem Muttermund? Wovon sprichst du?«
    »Den Unterlagen nach hatte Rosberg keine Kinder. Du weißt vielleicht, dass der Muttermund bei einer Frau, die nie geboren hat, rund und fest ist, aber Rosbergs Muttermund war gedehnt, wie bei einer Frau, die schon einmal niedergekommen ist.«
    »Willst du etwa behaupten, sie hat ein Kind zur Welt gebracht?«

    Kervinens Augen schweiften durch den Raum, er mied meinen Blick, als ob er sich genierte.
    »Wie ich schon sagte, bin ich kein Gynäkologe. Die Dehnung

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