Leichenblässe
Schwerkraft verursacht worden sein könnte», sagte Tom, womit
er aussprach, was ich dachte. «Wenn das viele Blut in der Hütte nicht gewesen wäre, würde ich sagen, er ist mit ziemlicher
Sicherheit erwürgt worden.»
Ich nickte. Angesichts dessen, was ich gesehen hatte, war Terry Loomis praktisch ausgeblutet. Sollte das allerdings geschehen
sein, hätten seine Zähne nicht rosarot verfärbt sein dürfen. Es war zwar möglich, dass die Wunden, die wir an seiner Leiche
gesehen hatten, nach Eintritt des Todes zugefügt worden waren, aber dann hätten sie nicht annähernd so stark geblutet. Obwohl
es bei der Frage der Todesursache also sowohl Beweise für Erdrosselung als auch für Erstechen gab, konnte beides zusammen
nicht zutreffen. Die eine Möglichkeit schloss die andere aus.
Welche war also die richtige?
«Gibt es in den Knochen Anzeichen auf Schnitte?», fragte ich. Wenn das der Fall gewesen wäre, hätte es auf eine wilde Attacke
hinweisen können, was wiederum auf die Wunden als Todesursache schließen lassen würde.
«Keine, die ich bisher gesehen habe.»
«Was ist mit dem Zungenbein?»
«Intakt. Bringt uns auch nicht weiter.»
Wenn der spangenförmige Knochen oberhalb des Kehlkopfs |133| gebrochen gewesen wäre, hätte es bedeutet, dass Loomis höchstwahrscheinlich erwürgt worden war. Diese Erkenntnis sagte aber
nichts über das Gegenteil aus. Es ist ein weitverbreiteter Irrtum, dass Erdrosselung immer zum Brechen des Zungenbeins führt.
Der Knochen wirkt zwar zart, ist aber wesentlich stabiler, als er aussieht. Die Tatsache, dass er bei Loomis unbeschädigt
war, bewies also weder das eine noch das andere.
Tom lächelte müde. «Ziemlich knifflig, oder? Mich würde interessieren, ob die Leiche aus dem Sarg auch rosarote Zähne hat.
Wenn ja, dann tippe ich auf Erdrosselung, Schnitte hin oder her.»
«Wir müssen warten, bis der Schädel gereinigt ist, um das festzustellen», sagte ich. «Aber die Zähne sind ziemlich verfault,
und so, wie es aussieht, war das Opfer starker Raucher. Die Zähne sind so gelb vom Nikotin, dass man irgendeine andere Verfärbung
kaum erkennen kann.»
«Na ja, ich schätze, wir werden einfach …»
Bevor er ausreden konnte, wurde die Tür zum Autopsiesaal aufgerissen, und Hicks stürmte herein. Sein Gesicht war erhitzt,
und selbst vom anderen Ende des Raumes konnte ich die Weinfahne und den Zwiebeldunst in seinem Atem riechen. Offenbar hatte
er gerade üppig gespeist.
Sein kahler Schädel glänzte unter den Neonlichtern, als er, mich völlig ignorierend, auf Tom zumarschierte.
«Für wen halten Sie sich eigentlich, Lieberman?»
«Wenn Sie wegen Kyle gekommen sind, es tut mir leid …»
«Ach, es tut Ihnen leid? Das ist alles? Das können Sie mit Ihren verfluchten Studenten machen, aber nicht mit einem meiner
Gehilfen! Haben Sie überhaupt eine Ahnung, was es uns kosten wird, wenn Webster uns verklagt?»
|134| «Im Moment mache ich mir eher Sorgen um Kyles Gesundheit.»
«Daran hätten Sie vorher denken sollen! Beten Sie lieber, dass diese Nadel nicht infiziert war, denn sonst werden Sie es ein
Leben lang bereuen, das schwöre ich Ihnen!»
Tom senkte den Blick. Ihm schien entweder der Wille oder die Kraft zur Gegenwehr zu fehlen.
«Das tue ich jetzt schon.»
Hicks wollte gerade einen weiteren Angriff vom Stapel lassen, als er merkte, dass ich ihn beobachtete. Wütend starrte er mich
an.
«Haben Sie was zu sagen?»
Ich wusste, dass Tom es mir nicht danken würde, wenn ich mich einmischte.
Beiß dir auf die Zunge. Halt den
Mund.
«Sie haben Soße auf Ihrer Krawatte», sagte ich, bevor ich mich zügeln konnte.
Er kniff die Augen zusammen. Bis zu diesem Moment hatte er mich, wenn überhaupt, wohl nur als Anhängsel von Tom wahrgenommen.
Jetzt wusste ich, dass er auch mich auf dem Kieker hatte, aber es war mir egal. Menschen wie Hicks suchen immer nach Ausreden,
um sich aufzuregen. Manchmal ist es leichter, sie einfach machen zu lassen.
Er nickte nachdenklich, als würde er sich etwas schwören. «Diese Sache ist noch nicht erledigt, Lieberman», sagte er, warf
Tom einen letzten finsteren Blick zu und marschierte dann hinaus.
Tom wartete, bis die Tür hinter ihm zugefallen war. «David …», seufzte er.
«Ich weiß, entschuldige.»
Er lachte leise auf. «Ich glaube, es war Tomatensuppe, aber in Zukunft …»
|135| Er hielt inne, schnappte nach Luft und fasste sich an die Brust. Ich wollte zu ihm gehen,
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