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Leichenblässe

Titel: Leichenblässe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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dass sie einen Durchbruch darstellte. Noch wusste ich nicht, auf welche Weise, mein Instinkt sagte mir jedoch, dass das Insekt
     wichtig war.
    Es war ein gutes Gefühl.
    Gedankenverloren ging ich über den Parkplatz. Es war nach zehn Uhr, und dieser Teil des Krankenhauses war verlassen. Abgesehen
     von meinem Wagen stand so gut wie kein anderes Fahrzeug mehr da. An den Seiten war der Parkplatz von Straßenlaternen gesäumt,
     in der Mitte aber war er beinahe stockfinster. Ich hatte bereits den halben Weg zurückgelegt und wollte gerade meinen Autoschlüssel
     aus der Tasche ziehen, als sich mir die Nackenhaare aufstellten.
    Plötzlich wusste ich, dass ich nicht allein war.
    |141| Ich drehte mich schnell um, konnte aber nichts sehen. Der Parkplatz war ein dunkles Feld, die wenigen Autos wirkten wie massive
     Schatten. Obwohl sich nichts bewegte, konnte ich das Gefühl nicht abschütteln, dass in der Nähe irgendetwas – irgendjemand
     – war.
    Du bist nur müde. Du bildest dir etwas ein.
Ich ging weiter zu meinem Wagen. Auf dem Kies klangen meine Schritte unnatürlich laut.
    Und dann hörte ich hinter mir einen Stein über den Kies rutschen.
    Ich wirbelte herum und wurde von einem grellen Lichtstrahl geblendet. Als ich meine Augen abschirmte und daran vorbeispähte,
     sah ich hinter einem Pick-up eine dunkle Gestalt mit einer Taschenlampe auftauchen.
    Sie blieb wenige Schritte entfernt stehen, die Taschenlampe weiterhin auf mein Gesicht gerichtet. «Würden Sie mir sagen, was
     Sie hier zu suchen haben?»
    Die Stimme hatte den breiten Südstaatenslang und klang schroff und bedrohlich höflich. Hinter dem Lichtstrahl konnte ich Schulteraufschläge
     erkennen und entspannte mich. Es war nur ein Wachmann.
    «Ich mache Feierabend», sagte ich. Er bewegte den Strahl nicht von meinem Gesicht. Durch das grelle Licht konnte ich, abgesehen
     von der Uniform, nichts sehen.
    «Können Sie sich ausweisen?»
    Ich zog den Ausweis hervor, der mir für die Leichenschauhalle gegeben worden war, und zeigte ihn dem Wachmann. Statt ihn zu
     nehmen, neigte er nur den Strahl seiner Taschenlampe auf die Plastikkarte, um ihn dann sofort wieder auf mein Gesicht zu richten.
    «Könnten Sie die woandershin halten?», fragte ich blinzelnd.
    |142| Er senkte die Taschenlampe ein wenig. «Sie haben lange gearbeitet, was?»
    «So ist es.» Lichtflecken tanzten mir vor den Augen, als ich versuchte, mich wieder auf die Dunkelheit einzustellen.
    Er lachte heiser auf. «Nachtschichten sind die Hölle, oder?»
    Die Taschenlampe wurde ausgeschaltet. Ich konnte nichts sehen, hörte aber seine knirschenden Schritte, die sich auf dem Kies
     entfernten. Aus der Finsternis driftete seine Stimme zu mir zurück.
    «Fahren Sie vorsichtig.»
     
    Du beobachtest, wie die Lichter des Wagens kleiner werden,
und wartest, bis sie ganz verschwunden sind, ehe du hinter
dem Pick-up hervorkommst. Dir kratzt es in der Kehle vom
Verstellen deiner Stimme, und dein Puls rast, entweder vor
Aufregung oder Frustration, das weißt du nicht genau.
    Der Idiot hat keine Sekunde gemerkt, wie nah dran er
war.
    Du weißt, dass es ein Risiko war, ihm gegenüberzutreten,
aber du konntest nicht anders. Als du gesehen hast, wie er
über den Parkplatz gekommen ist, schien er ein Geschenk des
Himmels zu sein. Es war niemand in der Nähe, und wahrscheinlich
hätte ihn bis zum nächsten Tag niemand vermisst.
Ohne darüber nachzudenken, bist du ihm in der Dunkelheit
auf den Fersen geblieben und immer näher gekommen.
    Aber so leise du auch gewesen bist, er muss etwas gehört
haben. Jedenfalls ist er stehen geblieben und hat sich umgedreht
. Natürlich hättest du ihn immer noch überwältigen
können, wenn du gewollt hättest, aber dadurch hast du die
Gelegenheit gehabt, noch einmal nachzudenken. Selbst wenn
du nicht gegen diesen verfluchten Stein getreten wärst – du
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hattest bereits beschlossen, ihn gehen zu lassen. Gott weiß,
dass du keine Angst hast, es darauf ankommen zu lassen,
aber irgendein Engländer, von dem noch niemand etwas gehört
hat, ist das Risiko nicht wert. Nicht jetzt, wo so viel auf
dem Spiel steht. Aber die Versuchung ist groß gewesen.
    Und wenn du für morgen keine anderen Pläne gehabt
hättest, hättest du vielleicht trotzdem zugeschlagen.
    Bei dem Gedanken daran lächelst du, Vorfreude kommt
in dir auf. Es wird gefährlich werden, aber wer nichts wagt,
gewinnt auch nichts. Du willst die Welt in Angst und Schrecken
versetzen. Lange genug hast du dein Licht

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