Leichenfresser - Thriller
die Helligkeit anpassten. Dann rannte sie über den Friedhof, so schnell sie konnte. Ihr Gesichtsausdruck zeugte von zufriedener Entschlossenheit.
Sieben
»Es wird regnen«, beklagte sich Steve Laughman, als sie über das Feld trotteten. Das hohe Gras strich raschelnd über ihre Bluejeans. »Der Wetterfrosch auf Kanal 8 hat’s für heute Abend angesagt.«
»Hör auf zu jammern, verdammt«, gab Ronny Nace zurück. »Herrgott, du führst dich auf wie ein kleines Mädchen.«
»Bis sechs Uhr morgens wird vor einem schweren Gewitter gewarnt. Es wird schütten wie aus Eimern.«
»Na und? Ein bisschen Regen hat noch keinem geschadet.«
»Wir könnten uns eine Lungenentzündung holen«, sagte Steve. »Ich will im Sommer nicht krank sein.«
»Halt die Klappe.«
»Oder vielleicht tobt sogar ein Tornado vorbei. Wenn das passiert, würde ich nicht draußen sein wollen.«
»Wenn du nicht sofort die Fresse hältst«, warnte Ronny, »dann stopf ich dir endgültig das Maul.«
Steve schloss abrupt den offenen Mund. Er war klug genug, seinen Freund nicht auf die Palme zu bringen.
»Endlich haben wir eine Chance, es diesen Scheißern heimzuzahlen«, fuhr Ronny fort. »Und du willst nur wegen dem Wetter alles abblasen.«
Verhüllt von Dunkelheit gingen sie weiter über Luke Jones’ Weide und hielten wachsam Ausschau nach den beiden Bullen des Bauern. Zum Glück hatten sich alle Kühe gemeinsam auf der anderen Seite des Feldes hingelegt. Dichte, tiefdunkle Wolken bedeckten den nächtlichen Himmel, sperrten den Mond und die Sterne aus und dämpften sogar die Flutlichter von den Schornsteinen der Papierfabrik sowie die roten Flugzeugwarnleuchten am fernen Funkturm. Die Jugendlichen erhellten den Weg mit einer Taschenlampe, die sie aus einer Schublade in der Küche von Steves Haus entwendet hatten.
»Wisst ihr, was komisch ist?«, fragte Jason Glatfelter. »Ist euch schon mal aufgefallen, dass die Leute durch den Regen rennen, statt zu gehen? Wenn sie aus einem Laden oder so kommen, und es regnet, dann rasen sie zu ihrem Auto, statt wie üblich zu gehen. Warum tun sie das? Ist ja nicht so, als ob sie nicht nass würden. Man bekommt so oder so dieselbe Menge Regen ab.«
Ronny stieg über einen Erdhörnchenbau hinweg. »Wovon zum Geier redest du?«
»Denk doch mal nach. Ob man geht oder rennt, man wird in jedem Fall nass. Warum also rennen? Tatsächlich bin ich mir sicher, dass man so von mehr Regentropfen getroffen wird.«
»Kumpel«, meinte Ronny und schnaubte höhnisch, »du hängst entschieden zu oft an der Wasserpfeife.«
Die drei näherten sich dem Zaun und erblickten den Friedhof dahinter.
»Tja«, meldete sich Steve zu Wort. »Ich sag euch was, Leute. Wenn es zu regnen anfängt, flitze ich heim wie der Blitz. Ich bekomme schon genug Ärger, wenn meine Ma merkt, dass ich mich rausgeschlichen hab. Wenn ich triefnass nach Hause komme, wird’s zehnmal schlimmer.«
»Waschlappen.« Verächtlich schnaubend strich sich Ronny die langen Strähnen aus den Augen. »Wir hätten dich echt zu Hause lassen sollen.«
»Du hast leicht reden.«
»Was willst du damit sagen?« In Ronnys Stimme schwang eine Schärfe mit, die einen Augenblick davor noch nicht zu hören gewesen war.
»Nichts.« Aber in Wirklichkeit wusste Steve haargenau, wie er seine Bemerkung gemeint hatte. Er hatte damit sagen wollen, dass es für Ronny einfach war, sich nicht den Kopf darüber zu zerbrechen, von seiner Mutter beim Rausschleichen erwischt zu werden – weil sie in der Schicht von elf bis sechs in der Schuhfabrik in Hanover arbeitete und nicht vor sieben am nächsten Morgen nach Hause kam. Seit Ronnys Vater vor fünf Jahren durch Komplikationen mit Agent Orange gestorben war, gab es sonst niemanden, der sich um Ronny kümmerte. Das hatte Steve gemeint, aber natürlich sprach er es nicht aus. Die beiden Letzten, die Ronnys Vater erwähnt hatten, waren Andy Staub und Alan Crone gewesen. Ronny hatte beiden die Lippen blutig geschlagen und Andy dazu noch die Nase gebrochen.
Auf der gegenüberliegenden Seite der Weite quakte in der Finsternis ein Ochsenfrosch und ließ sie alle wissen, dass er über Jones’ Teich herrschte. Nichts und niemand antwortete mit einer Herausforderung. Stattdessen kehrte wieder Stille in der Nacht ein.
»Scheißwaschlappen«, wiederholte Ronny, den Steves Schweigen anscheinend nicht zufriedenstellte. »Was anderes ist von ’nem Typen, der sich Hall and Oates reinzieht, wohl auch nicht zu erwarten.«
»Ich höre mir gar
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