Leichenfresser - Thriller
nicht Hall and Oates an.«
Jason grinste. »Und Michael Jackson. Machst du den Moonwalk für uns, Steve?«
»Leckt mich doch alle beide.«
Jason begann, mit schriller Fistelstimme Jacksons Thriller zu singen und scheuchte damit einen Schwarm Krähen auf, der sich für die Nacht niedergelassen hatte. Die Vögel erhoben sich in die Luft und krächzten verärgert.
»Lauf doch nach Hause, wenn du willst«, sagte Ronny und nickte in Richtung Feld. »Flieg wie diese Vögel. Jason und ich schaffen es allein. Diese Pisser haben mein Rad gestohlen und auf die Eisenbahnschienen gelegt. Es ist an der Zeit für Rache, Mann.«
»Vergiss nicht«, erinnerte ihn Steve, »dass ich derjenige war, der’s überhaupt erst rausgefunden hat. Ohne mich wüssten wir nicht mal davon.«
Ronny und Jason erwiderten nichts. Insgeheim wusste Ronny, dass Steve recht hatte, was ihm mächtig stank, denn er hasste es, wenn ihm aufgezeigt wurde, dass er sich bei irgendetwas irrte. Er war der Anführer, verdammt noch mal, und sie sollten bedingungslos auf ihn hören. Und Jason schwieg, weil er klug genug war, sich nicht gegen Ronny zu stellen, auch wenn es nur um etwas so Harmloses ging, wie Steve in diesem Fall zuzustimmen. Zuletzt hatte er das vergangene Weihnachten getan, als sie zu dritt das Krippenspiel im Garten der Witwe Rudisill verwüstet hatten. Die Frau lebte zwar allein, aber ihr Sohn kam jeden November vorbei und schmückte ihr Haus für Weihnachten. Er hängte Lichter an die Dachrinnen und an die Büsche und stellte ein Krippenspiel aus Holz auf, samt Leuchtfiguren aus Kunststoff von Josef, Maria, den drei Weisen, den Hirten, einigen Tieren und dem kleinen Jesus selbst, der in einer Holzkrippe mit Stroh von Luke Jones’ Farm lag. Die Leute verlangsamten im Vorbeifahren oft die Autos, hielten an und betrachteten die Szenerie anerkennend – bis die drei Jungen dem ein für alle Mal einen Riegel vorgeschoben hatten.
Jason wusste bis zum heutigen Tage noch nicht so recht, warum sie es eigentlich getan hatten oder wie die Idee dazu aufgekommen war. Sie hatten in ihrer Festung im Wald hinter Ronnys Haus herumgesessen, Gras geraucht und über einen unanständigen Comic im Hustler gelacht, als Ronny es plötzlich vorschlug. Sie hatten bis nach Einbruch der Dunkelheit gewartet, bevor sie das Krippenspiel plünderten, Josef und ein Plastiklamm zerbrachen, Maria und einen der drei Weisen auf die Straße warfen und den kleinen Jesus stahlen, den sie später an einen Baum an der Route 116 hängten. Mitten im Geschehen, als Ronny gerade die Maria hoch über den Kopf hob, hatte Jason gemeint, es sei falsch, Mrs. Rudisill habe ihnen doch nie etwas getan und sie sollten besser aufhören. Dieser kleine Anflug von Meuterei hatte dazu geführt, dass Jason einen Monat lang aus der Gruppe ausgeschlossen wurde. Ronny und Steve waren seine einzigen Freunde und wenngleich es sich manchmal anfühlte, als wäre Ronny der General, während Steve und er bloße Soldaten verkörperten, gefiel es ihm nicht, einsam und ein Ausgestoßener zu sein.
Deshalb hielt er sich seitdem zurück. So wie beispielsweise in dieser Nacht. Ja, es war Steve gewesen, der Graco und dessen Freunde belauscht hatte. Er war mit der Mossberg .22 seines alten Herrn im Wald, der an den Friedhof grenzte, unterwegs gewesen, um Eichhörnchen zu jagen – natürlich illegal und außerhalb der Jagdsaison –, als er über Timmy Graco, Doug Keiser und Barry Smeltzer gestolpert war. Steve hatte sich hinter einem Baum versteckt und ihren drei Feinden nachspioniert. Als sie gegangen waren, hatte er selbst im Schuppen nachgesehen, um sich davon zu überzeugen, was sie vermuteten. Das Gerücht über das unterirdische Clubhaus der drei Jungen hatten sie zum ersten Mal im vergangenen Winter gehört, doch bislang hatten sie weder feststellen können, wo es sich befand, noch, ob es überhaupt wirklich existierte.
Steve war das letztlich gelungen, aber er hatte die Informationen lediglich an Ronny weitergegeben und sich dann zurückgezogen. Ronny gab den Ton an. Dieser Überfall war seine Idee gewesen. Das Zeug ihrer Feinde würden sie stehlen, den Rest, einschließlich des Bunkers, würden sie zerstören.
Nachdem Ronny, Steve und er einmal in Schwierigkeiten geraten waren, weil sie Steine auf Autos geworfen hatten, wollte Jasons Mutter von ihm wissen, ob er auch von einer Brücke springen würde, wenn Ronny ihn dazu aufforderte. »Nein«, hatte er darauf mürrisch geantwortet.
Die Wahrheit sah
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