Leichensache
beim Kaffee können wir ja vielleicht hinterher noch machen.« Er lächelt, tritt hinter seinen Schreibtisch, bleibt stehen, wühlt in Blättern und Zetteln, findet etwas. »Die Stiefel sind noch beim ED, können wir aber gleich holen gehen. Hier ist erst mal die Vernehmung des Zeugen und der Bericht dazu. Sonst noch was?« Er blickt nach unten, kratzt sich den Haarkranz, schürzt die Lippen. »Ach, ja. Zwei Leute von uns kann ich euch zur Verfügung stellen, für heute. Vielleicht auch für morgen. Ist das okay?«
»Das ist mehr, als wir erwartet haben. Ist der Fundort weit von hier?«
Er geht zur Karte, sucht, zeigt mit beiden Zeigefingern auf zwei Punkte.
»Hier sind wir. Vielleicht fünf Kilometer. Eine Hochhaussiedlung, furchtbar. Ziemlich viel kriminelle Brut, hoher Ausländeranteil und viele deutsche Sozialhilfeempfänger.«
Das klingt ja prima.
»Okay. Habt ihr irgendwo ein anständiges Zimmer für uns? Wahrscheinlich lohnt sich heute Abend die Heimfahrt nicht mehr.«
Er nickt beruhigend. »Kein Problem. Ich such euch was Nettes raus.«
»Gut. Bevor wir rüberfahren, würde ich hier gern noch ein paar Sachen erledigen. Zuerst möchte ich gern den Bezirksbeamten aus dem Bezirk sprechen.«
Schwegler nickt, steckt sich dabei die Pfeife an. Pfeifenfeuerzeug, er zieht, pafft dreimal, den letzten Zug auf Lunge.
»Euch können wir hier einen Raum anbieten. Ein ziemlich großes Büro von unserem Gruppenleiter, der ist zurzeit nicht da. Der Kommissionsraum ist schon seit zwei Wochen durch irgendeine überflüssige interne Steuerungsgruppe blockiert. Der BED hat sein Büro draußen in einer Nebenwache, ganz in der Nähe vom Fundort der Stiefel. Ist ein alter Hase, seit sechseinhalb Jahren im Bezirk, kennt also seine Pappenheimer«, Qualmwolken stoßweise, nachstopfen, »bleibt heute Abend auch da, bis wir ihn brauchen, hab ich sichergestellt.«
Gut so weit. Jetzt erst mal die Stiefelvorlage anleiern und dann die EMA-Abfragen.
»Also los. Heike, wenn wir jetzt gleich die Stiefel haben, düst du zu Meinerts und legst ihm die Dinger vor und gibst mir dann umgehend Bescheid, ob es auch wirklich seine sind.
Können wir hier auf der Elst EMA-Abfragen machen, um die fraglichen Leute vom Alter her einzugrenzen?«
»Klar«, Schwegler behält die Pfeife zwischen den Zähnen, »ich rufe da mal an. Wenn da nicht gerade der Teufel los ist, macht das bestimmt einer mit uns …«
»… ansonsten kann das nach Einweisung auch einer von uns machen …«
»… hä hä«, er zieht die Stirn in Falten, wiegt behäbig den Kopf, »ich weiß ja nicht, wie das bei euch ist, aber hier auf der Leitstelle lassen die dich eher an ihre Frau, als an ihr Terminal.«
Artiges Lachen in der Runde, vorsichtiges Stopfen.
»Wir nehmen es so, wie es kommt. Wichtig ist nur, dass es so zügig wie möglich geht. Du machst das?« Ulla nickt. »Sobald Anne und Glowatzki da sind, fahren wir mit zwei Teams rüber, Heike kommt nach. Die Strategie legen wir da fest.«
Aufmerksame Gesichter, Zustimmung. Schwegler erwidert den Blick hinter Qualm und Pfeifenstopfer, pafft.
»Jetzt die Stiefel?«
Er geht vor, Heike kommt mit, zwei Treppen rauf, glatte Stufen. Der ED ist in einem dunklen Loch im Altbau, große Bäume vor den Fenstern. Der ED-Mann ist fett und mürrisch, die Revers vom weißen Kittel sind fleckig. Fremder Geruch. Wonach riecht das hier? Er geht ohne Worte in einen Nebenraum, bringt die Stiefel im Plastiksack.
»Das sind die Dinger. Den Bericht hab ich aber noch nicht fertig.«
Schwegler winkt ab. »Kein Problem. Alles Wichtige haben wir ja schon besprochen.« Er gibt die Tüte weiter an Heike.
»So. Schnapp dir den Omega und zeig sie Opa Meinert. Zügig, aber verheiz dich nicht. Das isses auch nicht wert. Melde dich bitte umgehend bei mir. Meine Handy-Nummer hast du?«
»Jawoll.« Sie klemmt sich die Tüte unter den Arm, geht, dreht sich um, winkt kurz. Sie macht mit dem Kaugummi eine Blase, kurzer, heller Knall.
Schwegler kocht wieder seine Pfeife an. »Und wir gehen jetzt zur Leitstelle«, er pafft und spricht.
Gut. Zur Leitstelle. Aber nicht ohne Ulla.
15 Uhr 15
Schwegler fährt im roten Vectra voraus. Schule hat begonnen. Ziviles Kennzeichen, dunkelrot. Das ist auch so eine Farbe, die sonst keiner nimmt, da können sie den Wagen gleich grün-weiß spritzen. Die Nebenwache sieht aus wie ein Einfamilienhaus mit Polizeischild. Schwegler fährt rechts ran, steigt schnell aus, zeigt auf eine Parklücke zwanzig Meter
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