Leichenschrei
Foster hereingekommen. Aber ich lese ihn später. Die Unterschrift war verschmiert. Ich glaube, es hieß ›Striker‹.«
»Striker? Bist du sicher? Die Einzige, die hier so heißt, ist Helen, draußen in Winter Harbor. Sie hat sieben Kinder, eine Menge Enkelkinder, von denen keines hier lebt, und sie ist ungefähr fünfundsiebzig Jahre alt. Was stand in dem Brief?«
»Das war nicht ganz klar. Die ganze Seite war mit Filzstift geschrieben. Laura muss darüber Tränen vergossen haben. Aber soweit ich gesehen habe, handelt es sich um das Übliche: ›Tut mir leid, dir wehzutun, aber ich verlasse dich.‹ Kam wohl von einem Mann, mit dem sie etwas hatte. Die Schrift war schlecht lesbar, weil sie so verschmiert war und ich nur wenig Licht hatte.«
»Vielleicht helfen uns ja deine Fotos weiter.«
Ich seufzte. »Das ist das Problem. Ich hab mich für ganz schlau gehalten, weil ich den Fotoapparat mitgenommen habe, um mir dann später alles am Computer anzusehen. Aber der Eindringling, der hier war, hat meinen Computer ja kaputt gemacht. Jetzt bin ich geliefert. Gibt es ein Internetcafé hier in der Stadt?«
»Nein.« Er schlug seinen Notizblock auf, schrieb etwas und reichte mir dann den Zettel. »Das ist Everett Arnolds Nummer. Sag ihm, dass ich dich schicke. Er hat einen ganz neuen Mac.«
»Super.« Ich griff nach dem Telefon.
Hank legte seine Hand auf meine. »Du warst zu lange fort, Tal. Everett ist vermutlich um acht ins Bett gegangen.«
»Oh. Verstehe. Ich rufe ihn morgen früh an. Warum hast du mir nicht gesagt, dass Gary Pinkham in der Nacht, als er starb, nach Drew gesucht hat, Hank?«
»Weil er ihn nicht mehr getroffen hat.«
»Wer sagt das? Drew?«
»Wer sonst?«
Ich beließ es dabei. »Irgendetwas stört mich.«
»Was?«, meinte Hank.
»Ich weiß auch nicht. Da war noch was …« Ich lehnte mich gegen die Küchenzeile. »Das mich stört. Doch. Aber … ich komme nicht dahinter, was. Ich bin bedient. Zeit, ins Bett zu gehen.«
Er zog mich an sich, küsste mich und ging.
»Was hast du vor?«
»Ich verzeihe dir.« Als er zurückkam, trug er nichts außer einem Grinsen im Gesicht. In der Hand hielt er ein paar Handtücher. »Ich dachte, eine gemeinsame Dusche unter freiem Himmel belebt dich vielleicht lang genug, um …«
»Jaaa.«
Am Mittwochmorgen wurde ich vom Zwitschern eines Vogels geweckt, den ich nicht kannte. Ich hatte meine Bücher über Vogelkunde in Boston gelassen, genau wie mein Vogelhäuschen. Schade.
Stunden zuvor hatte ich Hanks Lippen auf meinen gespürt und ihn dann über die Treppe nach unten gehen hören. Seufz. Die letzte Nacht war umwerfend gewesen. Es dürfte nicht schwerfallen, süchtig nach den Liebesspielen des Sheriffs von Winsworth zu werden.
Während ich duschte, überlegte ich mir, warum gewisse Männer mir unter die Haut gingen, andere mich aber kaltließen. Eine Erkenntnis kam mir jedoch nicht. Ich fütterte Penny und schenkte mir dann eine Tasse Kaffee ein. Ich wählte Everett Arnolds Nummer. Seine Frau sagte mir, dass er nach Bucksport gefahren war und gegen drei wieder zurück sein würde.
Ich konnte auch einen PC benutzen, aber im Umgang mit einem Mac fühlte ich mich vertrauter. Ich würde auf Arnold warten.
Der Vertrag über Emerald Shores ließ mir keine Ruhe. Ich holte ihn aus meinem Bauchgurt und verzog mich mit einer Schale Cheerios-Frühstücksflocken, mehr Kaffee und einem Glas Saft auf die Veranda.
Hässliche Wolken rangen mit der Sonne. Hoffentlich gewann die Sonne.
Penny rollte sich neben mir auf der Veranda zusammen, und ich begann zu lesen.
Juristenblabla ist eine mir total verhasste Lektüre. Ich legte den Vertrag auf den Tisch und drückte mit zwei Fingern gegen meine Augen. Sie schmerzten von den zehn Seiten Kauderwelsch, die ich gerade gelesen hatte.
Ich kraulte Pennys Kopf. »Hochinteressant, was?«
Sie seufzte.
Noah Beal. Laura Beal. Steve Sargent. Patsy Lee Jones. Chip Vandermere. Und Daniel Jones. Sie alle hatten in das Projekt Emerald Shores investiert. Eine ganz schöne Bande. Bei den Treffen der Anteilseigner musste es hoch hergegangen sein.
Die große Überraschung waren Drews Name und Unterschrift. Carmen und Hank hatten sich geirrt. Er hatte großzügig in Noahs Schlappe investiert.
Einen Moment lang fragte ich mich, wo all die Verträge vom Projekt meines Vaters, Trenton-by-the-Sea, hingekommen waren. Darin würden sich eine Menge Informationen darüber finden, wer durch den Weggang meines Vaters profitiert hatte.
Aber
Weitere Kostenlose Bücher