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Leichenschrei

Titel: Leichenschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vicki Stiefel
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uns darauf zubewegten.
    Peanut drängte an mir vorbei.
    Ich folgte dem Ziehen an der Leine. Warum auch nicht?
    Ich spürte es mehr, als ich es sah, dass wir einen Gang betreten hatten. Eng, niedrig, feucht. Der Lärm des Feuers war jetzt gedämpft. Und der Boden war weicher, vielleicht aus Lehm oder Holz.
    Wir gingen und gingen, und ich kam mir vor, als würde ich mir mein eigenes Grab schaufeln.
    Ich kaute auf meiner Unterlippe und zwang mich, nicht daran zu denken, wie Drews Körper ein Opfer der Flammen wurde. »Und, mein Mädchen, wohin gehen wir?«
    Ich tastete mit der Hand dort, wo sich in meiner Vorstellung die Wand befand. Steine. Ohne Mörtel. Ein schwacher Luftzug strich über meine Hand. Oder bildete ich mir das nur ein?
    Ich stieß mit Peanut zusammen. Warum war sie stehen geblieben?
    Mit einer Hand tastete ich über ihren Rücken und ging in die Hocke. Dann kroch ich vorwärts. Auf der Suche nach der Steinwand hielt ich beide Hände ausgestreckt und verlor das Gleichgewicht.
    Ich stieß mir heftig den Ellbogen an, fing mich aber, bevor auch das Gesicht zu Schaden kam.
    Tränen quollen aus meinen geschlossenen Augen. Ich sah Daddy in der Tür meines Zimmers stehen, dann rüttelte er mich wach. Es ist heiß im Haus, viel zu heiß. Hatte die kleine Emma Blake das gedacht? Lieber Gott, ich musste an die Nacht unserer Flucht denken. Nicht jetzt. Nicht …
    Eine Zunge schleckte mir über die Wange. – Ich vergrub mein Gesicht in Peanuts Fell, um die schreckliche Erkenntnis abzuschütteln, dass ich fast in unserem Haus in Winsworth verbrannt wäre. Ich rang nach Luft, nach kühler und nicht nach brennend heißer. Ich streckte die Hände aus und ließ sie meine Augen sein.
    Ich war über eine Treppe gestolpert. Eine grobe. Ich krabbelte mit den Händen voran nach oben.
    Das Dach war geneigt. Schmale Holzbretter, die über Nut und Feder miteinander verbunden waren.
    In die Schräge war eine Tür eingelassen. Was, wenn sie von außen verschlossen war? Ich setzte mich. Ich hatte Angst. Ich wollte es nicht ausprobieren. Sie konnte ja verschlossen sein. Das wäre dann das Ende.
    Peanut stupste mich an.
    Ich hockte mich auf die Treppe, streckte die Hände über den Kopf und hielt den Atem an, als ich aufstand. Ich warf mich mit meinem ganzen Gewicht gegen die schräge Tür.
    Sie flog mit einem Krachen auf. Licht strömte herein. Ich stolperte nach draußen und zerrte Peanut an der Leine mit. Plötzlich standen wir im Freien, mitten im Wald, und atmeten die frische Luft.
    Ich schluchzte.
    Einige Minuten später sah ich mich um und versuchte, mich zu orientieren. Der Wind blies nach Osten, Gott sei Dank. Ich sah nach unten auf die Treppe, die ich gerade heraufgekommen war. Bei dem Gang handelte es sich um ein altes Kellerloch, das Drew repariert hatte. Danke, Drew. Nochmals danke.
    Ich sah hinter mich. Da, etwa zehn Meter von der Bodentür, stand Drews Blockhaus in Flammen.
    Die Flammen schossen hoch bis ins erste Stockwerk, und ich spürte die infernalische Hitze, sah die Wandfarbe abplatzen und hörte das Prasseln des Feuers.
    Es war grässlich und schön zugleich, die tanzenden Farben zu sehen – rot, gelb, orange, an manchen Stellen sogar blau.
    Peanut jaulte, und mir fiel wieder ein, dass jemand das Feuer gelegt hatte. Wer immer das war, er schlich vielleicht noch in der Nähe herum.
    Ich führte Peanut tiefer in den Wald, weg von dem hübschen, kleinen Cottage, das nun ganz in Flammen und Rauch gehüllt war. Ich kam zu einem großen Felsen, neben dem eine Quelle entsprang. Wir tranken beide gierig, und dann setzte ich mich und sah meinem Dämon ins Auge, dem ich bereits im Keller begegnet war.
    Mein Blick wandert durchs Zimmer. Ich rieche Rauch und höre Lärm, wie ein starkes Brausen. »Daddy!«
    »Alles in Ordnung, Schatz. Ich bin hier.«
    »Aber was …«
    »Zieh dich an.«
    Ich stürze zum Fenster. Mein Baumhaus! So können wir rauskommen.
    Und ich sehe zwei Männer. Draußen. Das Gesicht des einen wird vom Licht aus dem Wohnzimmer erhellt. Er trägt eine Wollmütze und eine Cabanjacke und hat ein lustiges Bärtchen, genau wie mein Dad. Und er ist so groß wie Daddy, aber dünner.
    »Komm, Schatz. Wir müssen los. Sofort!«
    »Warte!« Ich lege die Hände gegen die Scheibe. Mein Nachthemd bläht sich um mich. Und der Mann dreht sich um und sieht nach oben, genau zu mir.
    Daddy reißt mich hoch, ich greife nach meiner Puppe, Gladdy, und dann trägt Daddy mich aus dem Zimmer. Er steckt mich in Jacke, Mütze

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