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Leichenschrei

Titel: Leichenschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vicki Stiefel
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Winsworth?
    Zurück in Maine zu sein kam mir surreal vor, insbesondere, seit ich in den Mordfall verwickelt worden war. Ich stellte fest, dass mir die Gegend gefiel – die Stille, die Bodenständigkeit, die Vertrautheit. Aber Lauras Ermordung, die so eng mit meinen Kindheitserinnerungen verknüpft war, begann mich allmählich zu verfolgen. Ich konnte an nichts anderes denken. Eigentlich hätte mir das MGAP mehr fehlen sollen. Gert, Veda, Kranak. Sie fehlten mir, ja. Aber ich fand es auch richtig, hier zu sein, auch wenn mich das überraschte. Und was noch seltsamer war: Ich hatte eine Schwäche für diesen kratzbürstigen Sheriff mit seinem Buddhabäuchlein entwickelt, während ich gleichzeitig versuchte, die Anschuldigungen gegen meinen Vater zu entwirren und einmal mehr Nachforschungen in einem grausamen Todesfall anzustellen.
    Das alles hätte ja lustig sein können, wenn es nicht so haarsträubend gewesen wäre.
    Es war eindeutig: Das einfache Leben wich mir aus.

12
Kleine Finger
    Am Freitagmorgen weckte das Telefon mich zu einer unchristlichen Zeit, um sechs Uhr früh.
    »Hä?«, krächzte ich in den Hörer.
    »Was zum Teufel geht da vor sich?«, sagte Hank.
    »Ich will verdammt sein, wenn ich es weiß.« Ich stützte mich auf den Ellbogen, um eher so tun zu können, als sei ich wach. Ich erzählte ihm von dem Finger, wie Penny ihn gefunden hatte und was ich damit getan hatte.
    »Ich muss einen Anruf erledigen. Ich melde mich wieder.« Knall.
    »Okay«, sagte ich zu niemand Besonderem. Penny drehte den Kopf, wie immer eine eifrige Zuhörerin. Sie grinste mit hängender Zunge, als wolle sie sagen: He, cool, Mom steht schon um sechs auf!
    Ich war nicht »auf«, dachte mir aber, ich könne es ebenso gut sein. Ich fütterte Madame, ließ sie nach draußen und setzte dann den dringend benötigten Kaffee auf.
    Ich hatte für diesen Tag vorgesehen, etwas Zeit mit Annie Beal zu verbringen, um ihr nach Lauras Tod beizustehen. Annie litt. Ich wusste, dass sie litt. Und ich wusste, dass ihr Drachen von einem Vater ihr das Leben noch schwerer machte.
    Aber die Unterhaltung mit Annie musste warten, bis ich wieder von Hank, alias Mr Kurz-angebunden, gehört hatte.
    Ich schlüpfte in Joggingklamotten und nahm den Kaffee und meinen Laptop mit auf die Veranda. Penny tollte in der kalten Brandung herum. »Verrückter Hund!«
    Sie hatte den Finger komplett vergessen. Ich konnte das nicht. Der Gedanke, dass ein Körperteil in meinem Kühlschrank lag, weckte viel zu schlimme Erinnerungen, als dass ich es gekonnt hätte. Ich schauderte.
    In dem Moment grinste Penny zu mir herauf. Dann verschwand ihr schöner schwarz-brauner Körper am Strand.
    Während ich auf Hanks Anruf wartete, ging ich online. Ich googelte Laura Beal und ging dann auf die Homepage von Winsworth. Anschließend auf die des Winsworth Journal. Ich sammelte einiges an Informationen und nahm dann meinen Stapel Ausdrucke und den Kaffee mit auf die Sonnenterrasse. Ein scharfer Wind kam übers Wasser, und ich war froh, lange Sachen angezogen zu haben. Penny machte der kalte Wind nicht das Geringste aus. Während ich las, warf ich ihr Stöckchen, sie holte es, und dann ging das Ganze von vorn los. Wie üblich wurde mir der Arm schwer, bevor Pennys Begeisterung nachließ.
    Dem Journal zufolge war Gary Pinkham nach einer Prügelei in der Oyster House Bar verhaftet und dann wieder freigelassen worden. In mehreren kleinen Artikeln wurde Annies ehrenamtliche Tätigkeit für das Winsworth Coast Memorial Hospital erwähnt. Noahs Name tauchte häufig auf, im Zusammenhang mit Immobiliengeschäften oder mit den Rotariern von Winsworth. Nicht überraschend war, dass die meisten Erwähnungen von Steve Sargent in Zusammenhang mit seiner Baufirma standen, obwohl auch er Mitglied im Rotary Club war, genau wie Hank, der auch in Artikeln über das Department des Sheriffs genannt wurde.
    Joy hatte an einer Kunstausstellung teilgenommen. Carmens fortwährende Auseinandersetzungen mit der Stadt wegen ihres Restaurants waren zwar interessant, bargen aber keine Überraschungen.
    Ich fand ein Glanzstück über Laura, eines, das mir Einblick in die öffentliche Person gewährte. Sie hatte sich mit ihrem Radiosender auf eine Berg-und-Tal-Fahrt eingelassen. Die Stadt hatte ihn beinahe dichtgemacht, als sie Howard Sterns berüchtigte New-York-Show ins Programm genommen hatte. Anscheinend hatte selbst die willensstarke Laura angesichts der heftigen Reaktionen in Winsworth auf die Obszönitäten

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